Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 459

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Fronhof mit der höchsten öffentlichen Gewalt auch über die Altfreien. Dadurch natürlicher Konflikt zwischen den Stadtmarken mit Stadträten und der hofherrlichen Gewalt, namentlich in allen nachmaligen Bischofsstädten.

Zunächst geht die Tendenz dahin: Überall maßen sich die Hofherrschaften an, auch diese Altfreien zu ihren Hofhörigen herabzudrücken, und zwar, indem sie den Stadtrat einfach als ihr Organ behandeln wollen, zunächst indem sie einen Dienstmann als Vorsteher über sie stellen wollen. In vielen Fällen ist das den Herrschaften gelungen. In manchen aber nicht, in den nachmaligen freien Reichsstädten. Das verhinderte die Kaufmannschaft, die jetzt schon eine ökonomische Macht hinter sich hat.

Überall, wo sich aus dem Handel schon ein Kaufmannsstand mit aufstrebendem Reichtum gebildet hatte, kam es zu großen Konflikten innerhalb der Stadtmauer und führte es zu der ersten städtischen Revolution.[1] (Das 12. und 13. Jh. ist die Periode der Herrschaft der Geschlechter.) Das war der erste Aufstand gegen den Feudalismus.

Das ist sozusagen der Kernpunkt des ersten Konflikts. Die Geschlechter hatten tatsächlich die materielle Macht, die Gesetze auf ihre Seite zu bringen, denn die Kämpfe wurden einfach mit Fäusten und äußeren Mitteln der Gewalt durchgekämpft in Form von Straßenkämpfen.

Die Hauptpersonen in dem Konflikt sind einerseits der Feudalismus, vertreten durch die Fronherren, andererseits die Kaufleute. Die letzteren sind einerseits schon Adlige, andererseits Kaufleute, sind zugleich die Geschlechter.

Die Kaufleute brachten auf ihre Seite die Handwerker, die Ritterschaft, d. h. die aufstrebenden Dienstmannen, die sich vom Hof befreien wollen. In allen Bischofsstädten, wo sich die Geschlechter und Kaufleute gegen den Hof auflehnen, sehen wir die Ritter sich auf ihre Seite stellen und sie zusammen den Kampf ausfechten. Sie sind die beiden oberen Stände, die große Masse sind die Handwerker.

Die Handwerker sind zunächst Hörige. Das zeigen die Kapitularien Karls des Großen. Dann gab es welche, die die Mark hatte. Die in der Mark sind persönlich frei, sie arbeiten in der Mark für die ganze Mark, auf dem Fronhof aber für die Herrschaft. Daraus ergab sich, daß die Handwerker für die Herrschaft schon feiner arbeiten konnten. Es war ein Fortschritt des Handwerks, daß die Handwerker für die Herrschaft arbeiteten.

Auf dem flachen Lande machte jeder soweit als möglich selbst seine Werkzeuge. Dadurch wenige Handwerker in der Mark. Am Hof von vornherein schon eine weiter vorgeschrittene Differenzierung des Handwerks. Goldschmiede und dergleichen feinere Arbeitsarten nur am Fronhof, nicht in der Mark. Dann aber an jedem Fronhof für jedes Handwerk mehrere Leute. Denn die Herrschaft ist schon eine Mehrheit

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[1] Gemeint sind die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen zwischen dem aufstrebenden städtischen Bürgertum und den feudalen Grundherren um die Autonomie der Städte im Mittelalter.