Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 458

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-7-1/seite/458

Dieses Zusammentreffen der zwei Elemente, die beide ihre Linie aus der Mark herziehen, die Ritter aus dem Fronhof, die Altfreien aus der Mark – das Begegnen dieser zwei Stände war ausschlaggebend für die Entwicklung der Stadt in der ersten Epoche.

Im 12. und 13. Jh. sind die ersten Revolutionen zur Befreiung von der Hofherrschaft. Darin spielen erstens die Kaufleute, zweitens die Dienstmannen eine Rolle.

Zur Belebung und zum Aufschwung des Handels haben noch historisch-politische Umstände beigetragen. Namentlich die Periode der Kreuzzüge.[1] Der erste Kreuzzug fand 1096–99 statt, der letzte 1270. Diese Kreuzzüge kamen in Berührung mit dem Orient. Sie plünderten dort; es geschah mit ausdrücklicher Erlaubnis der Päpste, daß die Befreier des Christengrabes alle Ungläubigen ausplündern durften. Tatsächlich benahmen sie sich wie eine Räuberbande, so daß die Bevölkerung floh, wenn nur die Kunde von ihnen kam.

Im Zusammenhang damit kam auch die Schifffahrt auf, denn die Kreuzzüge brauchten eine Verbindung zu Wasser. Nach dem dritten Kreuzzug hatten Venedig und Genua eine ganze Flotte, wie sie das Mittelmeer noch nicht gesehen hatte. Im Zusammenhang damit in Barcelona das erste Seerecht.

An den Kreuzzügen nahmen sämtliche Klassen teil, unter anderem auch die Handwerker. Sie lernten bei den Griechen und Arabern manche Gewerbe, so in Damaskus die feine Metallarbeit und Weberei, in Griechenland Seidenweberei, und verpflanzten sie nach Italien. Aus Tyrus in Palästina haben sie nach Venedig die Glasfabrikation gebracht.

Aus Tripolis wurde damals Rohrzucker nach Sizilien gebracht. Namentlich aber kam dabei in Schwung der Handel mit Gewürzen, Pfeffer, Zimt usw. Das spielte im Mittelalter eine große Rolle und gab einen ausgedehnten Handel.

Der Handel wurde also in den Städten von den einheimischen und fremden Kaufleuten geführt. Für uns kommen in Betracht die einheimischen. Erstens die Altfreien, die zunächst neben der Landwirtschaft den Handel betrieben und dann ausschließlich Handel, als der Ackerbau aus der Stadt vertrieben wurde. Sie erledigten ihre öffentlichen Angelegenheiten wie früher in der Mark durch Versammlung und Vorsteher.

Wir sehen auch tatsächlich die Verwandlung dieser Landmark in eine Stadtmark. Das ist der Kernpunkt der Theorie von Maurer.

Die Stadtmark ist zunächst eine Markgenossenschaft innerhalb einer Ummauerung. Sie erledigt ihre öffentlichen Angelegenheiten durch gewählte Vertreter, jetzt sind es Stadträte. Dieses Verhältnis aber konnte nicht ewig dauern, kein stabiles Gleichgewicht damit. Denn sie befanden sich doch in einem ummauerten Fronhof. Die Grundherrschaften haben sich ja schon die öffentliche Gewalt mit dem Blutbann angeeignet. Auf diesen erhob sich über diesen Stadtmarken mit ihren Stadträten der

Nächste Seite »



[1] Die neun Kreuzzüge des „christlichen Abendlandes“ zwischen 1095/99 und dem 13. Jh. waren strategisch, religiös und wirtschaftlich motivierte Kriege gegen die muslimischen Staaten um die Herrschaft im Nahen Osten.