Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 438

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hatte auch kein Fremder ohne Erlaubnis Zutritt. Das hieß in der Mark Markfriede. Damit scheidet auch aus das ganze Gebiet der Gerichtsbarkeit der Mark. Sofort tritt an die Stelle der Gerichtsbarkeit der Mark die Gerichtsbarkeit der Gutsherrschaft.

Alsbald, wenn auch etwas später, die Befreiung vom Kriegsdienst für die geistlichen Herrschaften. Ist auch ein Moment dafür, daß man sich mit Vorliebe unter die geistliche Herrschaft begab.

Zur Abrundung der Gutsgenossenschaften kommt noch der Blutbann, der ja der fürstlichen Gewalt gehört. Vor den Karolingern war die fürstliche Gewalt so weit gediehen, daß sie den Blutbann ausübten … durch die Gauverfassung. Ein Gau umfaßte mehrere Hundertschaften, also mehrere Marken. Der Gau hatte eine natürliche Grenze. An die Spitze eines solchen Gaus wurde von den Fürsten der Gaugraf gestellt, und er hatte den Blutbann auszuüben. Oder wenigstens ist er der Oberste der Gauversammlung, der Gaugerichte, zu der die Vertreter der verschiedenen Marken gehörten.

Schon vor Karl dem Großen suchten sich diese Gaugrafen unabhängig zu machen und ihre Territorien unabhängig von der fürstlichen Gewalt in ihre Hände zu bekommen. Karl der Große suchte eine stark zentralisierte Gewalt durchzuführen und legte den Gaugrafen sehr straffe Zügel an. (Seine Tendenz war ja, ein Weltreich zu gründen nach dem Vorbild des Römischen Reiches. Aber Karls des Gr. Reich zerfiel, wurde unter seine Söhne verteilt, und der Verfall ging immer weiter, so daß es nur ein vorübergehender politischer Versuch war.)

Die gaugräfliche Gewalt vertritt die oberste Gerichtsbarkeit und den Blutbann.

Nach der Ausbildung der Gutsherrschaften streben diese danach, auch die Blutsgerichtsbarkeit in ihre Hände zu bekommen, und darum müssen sie sich beim Fürsten bewerben. Sie wurde erlangt namentlich durch die geistlichen Herrschaften. Im 10. Jh. haben die meisten geistlichen Grundherrschaften schon den Blutbann bekommen.

Noch ein Moment, wodurch sich der Grundbesitz bei den Germanen schon sehr früh herausgebildet hat.

Bei der Eroberung des Römischen Reiches haben die Germanen namentlich in Gallien als fertiges Produkt der römischen Zeit den Großgrundbesitz vorgefunden und haben ihn oft nicht in Marken verteilt, sondern so beibehalten. Die Fürsten verteilten ihn an Freunde und ihre Umgebung.

Dann entstand der Grundbesitz noch dadurch, daß ganze Markgenossenschaften bei den Eroberungen auf frischen Boden übergesiedelt wurden, durch Kolonisation; sie waren von vornherein den Herrschaften untertänig und zinspflichtig.

Im Jahre 847 wurde das Schutzverhältnis zur Pflicht.[1] Es war Gesetz, daß kein kleiner Grundbesitzer ohne öffentlichen Schutzherrn weiter bestehen durfte. Das geschah zur Sicherung des öffentlichen Friedens. Denn nachdem die einzelnen Mar-

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[1] Siehe Friedrich Engels: Fränkische Zeit. In: MEW, Bd. 19, S. 487 f.