Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 426

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Die beiden Gracchen suchten durch eine bestimmte Reform die Sache zu erledigen. Sie forderten die Zuteilung von Staatsländereien an die Bauern, eine rein utopische Maßnahme.

Tiberius Gracchus drückte 133 v. Chr. ein Gesetz durch, das die Zurücknahme der Domänen von dem Adel und ihre Aufteilung in Bauerngüter zu 30 Morgen festlegte, die zu mäßigem Zins an einzelne proletarisierte Bauern gegeben werden sollten.[1]

Das Resultat war, daß Tiberius mit 300 seiner Anhänger vom Adel und dessen Anhängern ermordet wurde. Sein Bruder Gaius stellte sich darauf an die Spitze der Bewegung und suchte die Reform noch weiter zu treiben, da die Maßnahme von Tiberius die kolossale Proletarisierung nicht aufheben konnte. Auch die verpachteten Domänen wurden in Bauernkolonien verwandelt. Dann führte er die kostenlose Verteilung von Getreide durch, um die umherliegenden (obdachlosen?) Proletarier zu ernähren. Auch in den überseeischen Kolonien wurden Bauernkolonien eingerichtet. Darin aber lag der Bankrott der Bauern, denn das zeigt, daß man im eigenen Lande es nicht zurückführen konnte, daß die Bauern auf eigener Scholle saßen.

Ein gewaltiger Widerstand des Adels darauf; Gaius mußte fliehen und gab sich selbst auf der Flucht den Tod. Darauf scheiterte die ganze Reform.

Professor Meyer sagt: Diese Reform hat leider nur Revolutionen hervorgerufen, indem die beiden Gracchen ermordet wurden und die Reform scheiterte.

Die agrarischen Revolutionen haben nur zu Erschütterungen im Staate geführt und keine Abänderungen hervorgebracht.

Schon seit Jahrhunderten wurde durch Gesetze dagegen angekämpft, daß die freien Arbeiter immer mehr durch Sklaven verdrängt wurden. 367 v. Chr. ein Gesetz, das die Gutsbesitzer zu verpflichten suchte, eine den Sklaven entsprechende Zahl der Freien zu verwenden.

Zu Cäsars Zeiten, im 1. Jh., also vier Jahrhunderte nach jenem Gesetz, ein neues Gesetz, durch das die Großgrundbesitzer verpflichtet werden sollten, wenigstens ein Drittel Freier einzustellen. Das hatte natürlich keine Aussicht auf Erfolg. Die ökonomischen Verhältnisse waren stärker als das Gesetz. Der Bauer war noch ein Bürger mit Rechten und Pflichten, der Sklave war eine ausschließliche Arbeitskraft.

So ging es mit den Gesetzen in Rom wie mit allen Gesetzen, die sich gegen die ökonomische Entwicklung stemmen: sie blieben toter Buchstabe. Ein Beweis dafür ist, daß nach vier Jahrhunderten das neue Gesetz kam.

Zum Schluß haben wir die große Masse der proletarisierten Bauern im Staate ohne jede Verwendung. Sie blieben bis zur letzten Periode.

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[1] Als Volkstribun setzte Tiberius Sempronius Gracchus (162–132 v. u. Z.) im Jahre 133 v. u. Z. das Gesetz über die Aufteilung des ager publicus durch. Ein Familienoberhaupt durfte maximal 125 ha Staatsland besitzen. Für höchstens zwei erwachsene Söhne wurden im Höchstfall 62,5 ha zugestanden. Das weitere Gemeindeland sollte zu je 15 ha in Parzellen den armen Bürgern als unveräußerliches und ewiges Pachtland zugeteilt werden.