Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 425

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-7-1/seite/425

Endlich kommt noch ein Moment zu denen hinzu, die auf die bäuerliche Wirtschaft hereinbrachen, um sie aus der Welt zu schaffen. Das ist die rapide Entwicklung der Geldwirtschaft. Durch den Zusammenstoß mit den orientalischen Ländern entwickelte sich die Geldwirtschaft in Rom sehr schnell. Der römische Staat förderte sie mit allen Kräften, indem er alle größeren staatlichen Unternehmungen, z. B. auch die Erhebung von Steuern, nicht durch eigene Leute betreibt, sondern sie reichen Leuten in Pacht gibt, die dem Staate sofort eine Pauschalsumme zahlen mußten. Sie durften die Steuern noch erhöhen, wenn sie nur dem Staate gleich eine bestimmte Summe ablieferten.

Die Geldwirtschaft war damals für die reichen Leute eine ebenso ergiebige Quelle, wie es heute die Staatspapiere sind. Im 2. Jh. gab es schon reiche Bankiers, die dem Staate Geld vorschossen, wenn es nötig war, und die Geldgeschäfte besorgten.

Die Ruinierung der bäuerlichen Wirtschaft in ein paar Jahrhunderten ging natürlich nicht ohne Kampf und ohne Widerstand der Bauern vor sich. Im 2. Jh. v. Chr. G. große Revolutionen der Bauern, ein Schrei nach Neueinteilung der Ländereien, und zwar der Staatsländereien. (Das sind die im Namen des Staates als öffentliche Ländereien eingenommenen Gemeindeländereien, ungeteilten Ländereien, Allmenden.)

Wodurch scheiterte diese Forderung? Nicht bloß durch das Aufkaufen der Güter durch den Adel, sondern auch dadurch, daß der Adel die Staatsländereien in Bebauung genommen hatte. Der Adel begann, sich große Staatsdomänen zu Spottpreisen schenken zu lassen, und da er herrschte, war ihm das nicht unmöglich. Die Domänen gingen wirklich an ihn über und ließen den Großgrundbesitz noch wachsen.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren zu weit vorgeschritten, daher war die Forderung der Bauern eine rückschrittliche. Sie hatten genau dieselben Bestrebungen wie die heutigen Mittelständler.

Es gab erschütternde Revolutionen des proletarisierten Bauerntums in Rom um diese Ländereien. Die berühmteste darunter ist die Gracchussche Revolution 133–121. Gaius und Tiberius Gracchus, zwei Brüder aus dem höchsten Adel, stellten sich an die Spitze dieser Revolution. Tiberius Gracchus hielt dabei eine berühmte Rede vor dem Senat:

„Die Tiere Italiens haben ihren Unterschlupf und ihr Lager. Aber die, welche für Italien kämpfen und sterben, können nichts ihr eigen nennen als Luft und Licht. Heimatlos müssen sie mit Weib und Kind umherirren, und die Feldherren lügen, wenn sie vor der Schlacht sie auffordern, für ihre ererbten Gräber und Heiligtümer zu kämpfen. Denn keiner hat mehr ein väterliches Heiligtum oder ein Ahnengrab von all den Scharen römischer Krieger. Sondern sie, die man Herren der Welt nennt, kämpfen für den Reichtum und das Prassen fremder Leute, während sie selbst auch nicht eine Erdscholle besitzen.“[1]

Nächste Seite »



[1] Zitiert nach Georg Adler: Die Sozialreform im Altertum, Jena 1897, S. 67 f.