Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 415

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seinen Gütern mehr Austauschprodukte herstellen: Öl, Wein, Metalle. Die werden ausgetauscht gegen feines Linnen, Wohlgerüche, Purpur usw. Mit dem zunehmenden Handel kommt Metall immer mehr in Gebrauch. Die Bauern müssen mehr und mehr ihre Abgaben in Geld liefern, sie geraten mehr und mehr in Verschuldung.

Das führt zur Einrichtung der Schuldsklaverei. Bauern, die ihre Abgaben nicht leisten können, verwandeln sich in Sklaven, die dem Adel auf Tod und Leben überantwortet sind, und alles, was sie arbeiten, für ihn arbeiten müssen.

Im Zusammenhang damit bildet sich eine neue soziale Form heraus, die antike Stadt. Das war der Umkreis, in dem der Adel wohnte. Er hatte in der Stadt Häuser und außerhalb der Stadt seine Güter. In der Stadt wohnen, das bedeutete, daß man nicht am Produktionsprozeß teilnahm, denn der Acker lag auswärts, der damals noch die Hauptquelle war.

Um in der Stadt leben zu können, war es notwendig, daß der Adel Handwerker um sich herum hatte und städtische Händler, die für ihn den Austausch vermittelten; außerdem gehörten dazu eine ganze Reihe von persönlichen Bedienten. Hier erst entwickelt sich die Grundlage der eigentlichen Sklaverei, wie wir sie nachher in Griechenland sehen.

Schon bei Homer Spuren der Sklaverei, nur in adligen Familien und in geringer Zahl. In dieser ersten Phase der Sklaverei überwiegt das weibliche Element. Die Sklavinnen werden benutzt z. B. als Kebsweiber, Ammen, Mägde im Haus, die neben der Hausfrau und unter ihrer Leitung arbeiten.

Dann kommt mit dem Verfall des Bauernstandes die Schuldsklaverei hinzu.

Diese Verhältnisse führen im 6. Jh. schon zu Revolutionen in Griechenland.

Der ruinierte Bauernstand rebelliert und verlangt Neueinteilung des Grund und Bodens, eine utopische Forderung, die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollte. Wenn auch dieser Ruf in der Solonischen Revolution 594[1] unerhört verhallen mußte, so hat die Rebellion doch eins herbeigeführt: die Aufhebung der Schuldsklaverei. (Siehe im „Ploetz“.)[2]

(Solon war der Gesetzgeber, Solonische Revolution ist hier aufzufassen als Umwälzung.)

Aus diesen Verhältnissen ist der frappante Zug der Geschichte in Griechenland zu erklären, daß dort die Klassenherrschaft die originelle Form der Herrschaft der Stadt über das Land annahm.

Zugleich mit dem Adel entwickeln sich Sklaverei und Handel.

Nachdem die Sklaverei zunächst zur persönlichen Bedienung eingeführt worden war, mußte der Adel mit der Steigerung seiner Lebensweise dazu kommen, Sklaven zu kaufen, um durch sie Austauschprodukte herstellen zu lassen. In Griechenland sehen wir zum ersten Mal, daß bestimmte Werkstätten hergerichtet wurden, in denen

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[1] Der athenische Staatsmann Solon war 594 v. u. Z. zum Archonten gewählt und als Schiedsmann zwischen den Ständen mit außerordentlichen Vollmachten zur Neuordnung der Gesellschaft und Verfassung ausgestattet worden. Er verfügte einen allgemeinen Schuldenerlaß und hob die Schuldknechtschaft auf. So konnte kein Gläubiger mehr seine zahlungsunfähigen Schuldner als Sklaven verkaufen oder als Teilpächter an Grund und Boden binden. Solon führte eine Münz- und Maßreform durch. Er begründete die Einteilung der Bürgerschaft nach dem Grundbesitz in vier Klassen, schuf den Rat der Vierhundert und die Geschworenengerichte.

[2] Siehe Karl Julius Ploetz: Auszug aus der alten, mittleren und neueren Geschichte, Berlin 1895.