Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 357

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-7-1/seite/357

Die Handwerker werden Freie und ihre seitherige Gesindeorganisation wird nun zur freiwilligen Zunft mit einem gewählten Vorsteher. Im 12. Während des 12. und 13. Jh. setzten die Handwerker durch eine Reihe von Einzelakten ihre Befreiung vom Hofrecht durch. In Ulm wurden noch 1312 die Zünfte verboten. Anerkannt wurde zuerst die freie Zunft der Handwerker Kaufleute, dann die Gewandschneider, die Tuchweber usw. Im weiteren Verlauf der Entwicklung bildete sich ein Interessenkonflikt zwischen Patriziern und Handwerkern. Die Handwerker waren teilweise sehr vermögend geworden, hatten alle Pflichten, die ihnen von den Patriziern auferlegt wurden, zu erfüllen, dem standen aber nicht die mindesten Rechte gegenüber. Es entspann sich ein Klassenkampf, der sich zwischen Gemeinde (Handwerker) und Geschlechtern (Patrizier) abspielte und während des 13., 14., 15. Jh. dauerte. In der Regel war das Resultat eines solchen Kampfes ein Kompromiß, d. h. es wurden zwei Räte gebildet, einer aus Handwerkern und einer aus Patriziern. Der Ausgang war, so verschieden der Kampf auch im einzelnen war, überall derselbe, er endete überall mit dem schließlichen Sieg der Zünfte. Zum Teil siegten die Zünfte in Köln, Basel, Magdeburg usw. Frankfurt, Wien, Augsburg. Aus Köln, Basel, Magdeburg wanderten die Patrizier aus. Ausschließliche Zunftherrschaft war in Köln, Speyer, Zürich, Schaffhausen, Basel, Halle, Konstanz, Magdeburg. Wo die Zünfte siegten, wurden diese zur Grundlage der ganzen Städteorganisation; es wurde dann auch der Zunftzwang eingeführt. Zum ersten Mal sehen wir hier in der Geschichte die Ausbildung eines scharfen Gegensatzes zwischen Stadt und Land. Zum ersten Mal kommt eine Herrschaft auf, die auf freier Arbeit beruht. Grund und Boden gehörten noch den Feudalherren, darauf saß aber ein freier Handwerker. Weil dies nun ein unhaltbarer Zustand war, erfolgte der Loskauf des Bodens. In London geh erfolgte dieser Loskauf nicht, deshalb gehören dort auch 8/10 des Bodens sieben feudalen Herren.

Naturallieferungen kamen vereinzelt noch im 16. Jh. vor. Persönliche Freiheit errangen die Handwerker in Bern 1218, in Wien 1298, in Eisenach 1289, in Wesel 1279, in Brackel 1322. Die Handwerker auf dem Lande suchten nun ebenfalls in den Städten ein Unterkommen, weil sie hier persönliche Freiheit und eine ökonomische Existenzbasis finden konnten. So erklärt sich das rasche Wachsen der Städte im Mittelalter. Wenn ein flüchtiger Höriger ein Jahr und einen Tag in der Stadt ansässig ist und sich eine Existenz gegründet hatte, so war er frei, die Feudalherren konnten ihn nicht mehr belangen. Machte ein Feudalherr auf den Hörigen einen Anspruch, so entschieden darüber die städtischen Gerichte, vor denen der Feudalherr mit sieben seiner nächsten Angehörigen seinen Anspruch beschwören mußte. Durch Verjährung erwarb sich ein Höriger nur persönliche Freiheit, Abgaben mußten nach wie vor gezahlt geleistet werden.

Die Erwerbung der Freizügigkeit als ein besonderes Recht in den Städten. –

Die Abschaffung des Erbrechts, in Speyer 1182, in Worms 1180, in Münster 1309, in Augsburg 1276, in Ulm 1296, in Frankfurt 1291.

Nächste Seite »