Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 355

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Die Markentheorie hat ihren Hauptvertreter in Maurer „Geschichte der Dorf- und Markgenossenschaft“ und „Über die Bayerischen Städte [und ihre Verfassung unter der Römischen und Fränkischen Herrschaft“, München] 1829.[1]

Die Hoftheorie wird von Prof. Arnold „Geschichte des Eigentums in den Städten“, „Das Aufkommen des Handwerkerstands in den Städten“, 1861 [vertreten].[2]

Die römische Munizipalverfassung, die seit dem 4. Jh. im Römischen Reich überall in Geltung war, zeichnete sich durch großen Bürokratismus aus, dagegen war die Städteverfassung das gerade Gegenteil. Die römischen Städte waren alle ummauert, wo aber die Germanen hinkamen, rissen sie sofort die Mauern nieder und errichteten Markgenossenschaften. Erst im 10. Jh. haben die Germanen begonnen, die Städte zu ummauern. Sie knüpften also nicht an die Städtebildung Roms an, sondern errichteten solche nach ihren eigenen Bedürfnissen. Der Umstand, daß die Germanen mit der Entwicklung des Handels die alten Heerstraßen wieder benutzten, brachte es mit sich, daß die Germanen ihre Städte an denselben Orten aufbauten, auf welchen früher die römischen Städte standen.

Gildentheorie.

Die Zünfte waren selbst erst ein Produkt der Städteentwicklung; nichtsdestoweniger steckt aber in dieser Theorie doch ein guter Kern.

Auch die beiden anderen Theorien sind an sich einseitig. Maurer betont die Markenverfassung deshalb so stark, weil diese bis dato nicht beachtet wurde; aus demselben Grunde legt Arnold dem Hofrecht eine so große Bedeutung bei.

Jede dieser Theorien ist wichtig, weil jede eine Seite besonders scharf hervorhebt. Alle zusammen ergeben ein ziemlich richtiges Bild.

Die Städte entwickelten sich aus dem Dorf. Zuerst wurden die Bischofssitze ummauert, dann die Pfalzen, die Hofhaltungen und dann die einzelnen Städte. Ulm wurde im 11. Jh. ummauert. Papst Clemens I. erließ eine Vorschrift, daß die Bistümer ummauert werden müßten.

Ursprünglich war der Ackerbau in den Städten die Hauptbeschäftigung. Um die Stadt herum lagen Wiesen und Wälder. Nach u. nach wurden Viehzucht und Ackerbau durch das Aufkommen des Handels aus den Städten verdrängt. Der Handel brauchte Schutz und Abnehmer; beides fand er in den Städten. Je größer ein Hof war, desto mehr hörige Handwerker wurden in den Städten zusammengezogen. Aus dieser Zeit stammen die auf irgendein Handwerk bezüglichen Straßennamen.

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[1] Siehe Georg Ludwig von Maurer: Geschichte der Dorfverfassung in Deutschland, Bd. 1 und 2, Erlangen 1865–1866; ders.: Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, Erlangen 1856; ders.: Geschichte der Fronhöfe, der Bauernhöfe und der Hofverfassung in Deutschland, Bd. 1–4, Erlangen 1862–1863; ders.: Geschichte der Städteverfassung in Deutschland, Bd. 1–4, Erlangen 1869–1871.

[2] Siehe Wilhelm Arnold: Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, Basel 1861; ders.: Das Aufkommen des Handwerkerstandes im Mittelalter, Basel 1861.