Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 350

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Die Superkomentatio, d. h. das Abhängigkeitsverhältnis der Bauern vom Großgrundbesitzer, entstand im 3.–4. Jh. bei den Römern und wurde im 7.–8. Jh. von den Germanen angenommen. Zunächst erscheint es als ein freiwilliges Verhältnis, die Abgaben waren sehr gering, dagegen erschien der Schutz des Grafen als eine Wohltat. Kowalewski vertritt die Auffassung, daß das Verhältnis von Anfang an nicht als frei im eigentlichen Sinne angesehen werden könne, sondern die Kleinen seien durch Bedrückungen der Großen gezwungen gewesen, sich unter den Schutz eben eines solchen Großen zu stellen. Dieser Auffassung entsprechen die Ausführungen in den Kapitularien Karls des Großen.

In England wird im 9. Jh. ebenso wie früher in Deutschland der Schutzzwang eingeführt. Wer bei den Germanen drei Hufen Land besaß, erwarb sich damit die Unabhängigkeit von der Mark in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht. Diese Entwicklung spiegelt sich in dem Entstehen von Gauen, Gaugerichten und in Verwaltungen, die von Gaugrafen geleitet waren, wider.

Heft IV

Nationalökonomie, Wirtschaftsgeschichte

Lehrer: Dr. Rosa Luxemburg Berlin, den 22. XI. 10.

Die aufstrebenden Grundherren suchten sich von den Gaugrafen Fürsten unabhängig zu machen. Dem arbeitete Karl der Große entgegen, mit dem Erfolg, daß nach seinem Tode die Entwicklung in dieser Richtung viel schneller ging. Durch Übertragung der gerichtlichen Rechte an die Großgrundherren entwickelte sich die dem Mittelalter charakteristische Gerichtsgewalt.

Die Lebenshaltung war zunächst noch wenig differenziert. Mit der Vergrößerung der Güter bildete sich die kulturelle Scheidung der Bevölkerung. Damit war verbunden, daß sich die Adeligen von der Arbeit befreiten. Jetzt galt[en] der Müßiggang, das Kriegführen, die Jagd und ein luxuriöses Leben als das die Merkmale des Adels (Lassalle, Kapital u. Arbeit.)[1] Wer drei Hufen besaß, erschien mit voller Rüstung zum Krieg, während die übrigen, d. h. die große Masse der Bauern, zu je zehn Mann verpflichtet waren einen Mann auszurüsten. Unmittelbar waren also die Bauern vom Kriegsdienst befreit, das hatte aber eine politische Entrechtung zur Folge. Die einzelnen Hufen, die im Besitz von Großgrundbesitzern waren oder im Besitz der Kirche, wurden von diesen teilweise vom Hof aus bewirtschaftet oder aber an Bauern zinspflichtig abgegeben. Es bildeten sich sogenannte Kolonen, Halbfreie. Aus den

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[1] Siehe Ferdinand Lassalle: Herr Bastiat-Schulze von Delitzsch, der ökonomische Julian oder Kapital und Arbeit. In: Ferd. Lassalle’s Reden und Schriften. Neue Gesammt-Ausgabe. Mit einer biographischen Einleitung hrsg. von Ed. Bernstein, London. Dritter Band, Berlin 1893, S. 178 ff.