Berlin, den 5. XI. 10.
Die Entwicklung der sozialen Gliederung in Indien. Indien umfaßt 4,4 Mill. qkm und darauf ungefähr 300 Mill. Einwohner von diesen
Berlin, den 4. XI. 10.
Im Jahre 1532 wurde durch den Spanier Pizarro das Inkareich, Südamerika, erobert. Über die soz[ialen] Einrichtungen des Inkareichs wurden die gewagtesten Behauptungen in Umlauf gebracht. So wurde Jahrhunderte lang die Nachricht verbreitet, in dem Inkareich wären die kühnsten Träume der Kommunisten und Sozialisten verwirklicht. Meyers Lexikon schreibt heute in bezug auf das Inkareich von einer theokratischen Monarchie mit einer eigentümlichen Arbeitspflicht.
Über die näheren Einrichtungen siehe Cunow, „Die sozialen Einrichtungen des Inkareichs“.[1] Hier nur das Folgende. Die Eroberung des Inkareiches durch die Inka erfolgte im 10. oder 11. Jh. Die ursprünglichen Bewohner waren die Peruaner. Diese beiden Indianerstämme waren standen, als die Spanier das Land eroberten, schon auf einer ziemlich hohen Kulturstufe. Sie trieben Ackerbau, wozu sie bereits künstliche Bewässerung mittels Kanälen verwendeten, außerdem war bei ihnen der Bergbau schon sehr ausgedehnt und endlich bauten sie sich schon ziemlich feste Hütten. Man fand bei ihnen Dorfschaften, die genau wie bei den Germanen aus Hundertschaften bestanden. Ihre Heerführer wurden gewählt, jedoch nur für die Dauer des Krieges. Bei einzelnen Stämmen Dorfschaften fand man den Vorsteher auf längere Zeit gewählt. Auch zu dieser Zeit kam es schon vor, daß eine Dorfschaft von einer anderen unterjocht wurde. Die Bezeichnung für eine Dorfschaft ist beinahe dieselbe wie bei den Germanen, nämlich Marka.
Bei ihnen fand man, daß mehrere Personen Familien in einem Haus wohnten. Sie hatten also teilweise einen vollständigen Verzehrungskommunismus. Diese Einrichtungen der Peruaner ließen die Inka bei der Eroberung beinahe unberührt. Sie nahmen nur einen Teil des Grund und Bodens für sich zur Bearbeitung und verlangten, daß der Ertrag bestimmter Bodenteile von den Peruanern an sie abgeliefert werden sollte. Außerdem verlangten sie als Tribut hübsche junge Mädchen. Die Inkas übernahmen dafür die Regelung der Produktion und die Verwaltung.
Wir finden viel Gemeinsames bei den Inka mit den Germanen, z. B. Markgenossenschaft, geteilte und ungeteilte Mark, jährliche Umlosung, öffentliche Erledigung der gemeinsamen Interessen und die Hundertschaften.
Dagegen sehen wir bei ihnen, I im Unterschied zu den Germanen, Massenwohnungen und einen viel stärkeren Austausch.
[1] Siehe Heinrich Cunow: Die soziale Verfassung des Inkareiches. Eine Untersuchung des altperuanischen Agrarkommunismus, Stuttgart 1896; siehe auch Rosa Luxemburg: Einführung in die Nationalökonomie. In: GW, Bd. 5, S. 656 ff.