Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 326

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diesen besondere Kräfte zu.[1] Dies läßt sich auf folgende Weise erklären: Bei Zeiten großer Hungersnot, die wahrscheinlich periodisch wiederkehrte, waren die Seri-Ind. gezwungen, um sich vor dem Hungertode zu schützen, die unverdauten Ausscheidungen zu verzehren. Darauf entwickelt sich allmählich ein religiöser Glauben. So sehen wir, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse sich in der Religion widerspiegeln. Bei den kalifornischen u. Seri-Ind. herrscht eine planmäßige, kollektivistische Verteilung.

Dieselben Feststellungen wurden noch gemacht bei den Irokesen Nordamerikas, bei den Bewohnern der Andamanen, den sog. Mincopie. Bei den letzteren durch den engl. Forscher Maine 1882.[2] Bei den Wedda, Ceylon, bei den Nekritos, Philippinen, Buschmännern Afrikas u. endlich noch bei den Australnegern. Durch Spencer und Gillen wurde festgestellt, daß die allermeisten Gegenstände bei der Totem-Religion der primitiven Völker Nahrungsmittel sind.

Wir haben festzustellen, daß die Völker, die wir betrachteten, anerkanntermaßen zu den allerprimitivsten gehören, ferner, daß diese sich [sic!] auf vier Erdteile zerstreut sind u. daß überall der Kommunismus angetroffen wurde.

Hausarbeit Berlin, den 29. X. 10

Bis in die sechziger Jahre hinein herrschte die Auffassung, daß die Menschen, namentlich die Germanen, ursprünglich als Einzelfamilien gelebt hätten. Mit dieser Auffassung wurde durch die Entdeckung des Urkommunismus durch Maurer bei den Germanen u. derjenigen Morgans bei den Indianern, vollständig gebrochen. Nun war man bis in die achtziger Jahre allgemein der Ansicht, daß ursprünglich Urkommunismus vorhanden war. Die ersten Entdeckungen auf diesem Gebiet wurden durch dänische Gelehrte gemacht. Dann kamen eine Reihe deutscher, so Schlegel, Falk, Maurer u. andere.

Der Bedeutendste war Maurer, 1791–1872. Er studierte in Heidelberg Jurisprudenz. 1824 gab er das erste Werk heraus, das allgemeines Aufsehen erregte.

Durch das Studium des altgermanischen Gerichtsverfahrens kam er dazu, die Formen der Familien u. Dorfgemeinden zu untersuchen. 1826 war er Prof. in München, nachher als Regierungsvertreter in 18 Jahre in Griechenland. Nach seiner Rückkehr wurde er für kurze Zeit Ministerpräsident in Bayern. 1851–53 gab er den I. Bd. seines sechs Bde. umfassenden Werkes heraus „Einleitung in die Geschichte der Hofverfassung“.[3]

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[1] Siehe ebenda, S. 634 f.

[2] Siehe Henry Sumner Maine: Village-Communities in the East and West, London 1907; siehe auch Rosa Luxemburg: Einführung in die Nationalökonomie. In: GW, Bd. 5, S. 621 und 631.

[3] Siehe Georg Ludwig von Maurer: Einleitung zur Geschichte der Mark-, Hof- und Dorf- und Stadtverfassung und der öffentlichen Gewalt, München 1854.