Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 123

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hinter seinem Rücken, nachdem sein Fell bereits gegerbt ist, vorgehen. Und im lärmenden Gewühl der Geschäfte treibenden Menge begegnen wir auch in der Wirklichkeit den Arbeitern nur, wenn sie im dämmernden Morgen in Trupps in ihre Arbeitsstätten trotten u. im dämmernden Abend, wenn sie in langen Zügen von ihren Werkstätten wieder ausgespien werden.

Auf den ersten Blick mag es nicht ersichtlich scheinen, welches Interesse die diversen Privatsorgen der Kapitalisten bei der Profitmacherei u. ihr Zank um die Verteilung der Beute für die Arbeiter haben mag. In Wirklichkeit gehören der II. u. III. Band des „Kapitals“ zur wirklichen und erschöpfenden Erkenntnis des heutigen Wirtschaftsmechanismus sogut wie der I. Freilich sind sie nicht von derselben grundlegenden u. entscheidenden historischen Bedeutung wie dieser für die moderne Arbeiterbewegung, enthalten aber eine reiche Fülle von Erk Einblicken, die auch für die prak geistige Ausrüstung des Proletariats zum praktischen Kampf von unschätzbarer Bedeutung sind. Wir wollen dafür zwei Beispiele herausgreifen.

Im II. Band des „Kapitals“ berührt Marx bei der Frage, wie sich aus dem blinden chaotischen Walten der Einzelkapitale, die regelmäßige Ernährung der Gesellschaft ergeben kann, naturgemäß auch das Frage Problem der Krisen. Keine systematische u. reale lehrhafte Abhandlung über Krisen darf man hier erwarten, nur einige beiläufige Bemerkungen. Aber ihre Verwertung wäre für die Masse der denkenden u. aufgeklärten Arbeiter von großem Nutzen. Es gehört sozusagen zum eisernen Bestand der sozialdemokratischen u. namentlich der gewerkschaftlichen Agitation, daß die Krisen mit in erster Linie durch die Kurzsichtigkeit der Kapitalisten entstehen, die partout nicht begreifen wollen, daß die Masse ihrer Arbeiter ihre besten Abnehmer sind, u. daß sie diesen nur höhere Löhne zu zahlen brauchten, um sich eine die kauffähige Kundschaft zu sichern u. der Krisengefahr vorzubeugen oder sie wenigstens erheblich zu mildern. So populär diese Vorstellung, so ist sie doch total verkehrt, und Marx widerlegt sie mit folgenden Worten:

(S. 385[1] [Andere Handschrift mit Bleistift:] 406[2])

„Es ist eine reine Tautologie zu sagen, daß die Krisen an aus Mangel an zahlungsfähiger Konsumtion oder an zahlungsfähigen Konsumenten hervorgehen. Andre Konsumenten als zahlende, kennt das kapitalistische System nicht, ausgenommen die sub for [una pauperis] unter der Form der öffentlich Armenunterstützung oder die des ‚Spitzbuben‘. Daß Waren unverkäuflich sind, heißt nichts, als daß sich keine zahlungsfähigen Käufer für sie fanden, also Konsumenten. – Will man aber dieser Tautologie einen Schein tieferer Begründung dadurch geben, daß man sagt, die Arbeiterklasse erhalte einen zu geringen Teil ihres eigenen Produkts, u. dem Übelstand

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[1] Siehe Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie. Zweiter Band. Buch II. Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Zweite Auflage. Hrsg. von Friedrich Engels, Hamburg 1893, S. 385 f. – MEW, Bd. 24, S. 409 f.

[2] Siehe ebenda, Hamburg 1885, S. 406 f. – MEW, Bd. 24, S. 409 f.