Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 112

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tausch in unseren Kolonien mit kurzen Worten und teilte mit, daß sie am nächsten Freitag über Lohnarbeit sprechen werde.

IV.

8. November 1907 – Die Lohnarbeit –

Nach einem Polizeibericht vom 9. November 1907

Rednerin führte aus, daß schon im Mittelalter die Lohnarbeit eine Ware gewesen sei, die wie jede andere Ware auf den Markt kam, um dort verkauft zu werden.

Die Unternehmer und Kapitalisten holten sich auch heute noch ihre Lohnarbeiter in Gestalt der Arbeitskraft vom Markt, denn ohne diese Ware könnten dieselben keine anderen brauchbaren, für die menschliche Gesellschaft unentbehrlichen Waren fertigen und dann wieder auf den Markt bringen.

Einem jeden Käufer sein gutes Recht sei nun, mit seiner gekauften Ware anfangen zu können, was er wolle und so machten es auch allerdings die Unternehmer und Kapitalisten mit ihren gekauften Arbeitskräften. Die Folge davon wären lange Arbeitszeit und wenig Lohn. Rednerin meinte weiter, es seien ja zwar die Arbeiterschutzgesetze entstanden, um dadurch den Arbeitskräften ein geregeltes Arbeitsverhältnis zu verschaffen und die Lebenserhaltung mehr zu sichern, aber trotzdem sei die Arbeitszeit eine viel zu lange.

Die Arbeitnehmer, welche gezwungen seien, ihre Kraft auf den Markt zu bringen, um sie an Kapitalisten zu verkaufen, erhalten dafür nur soviel, daß sie ihren notwendigen Lebensunterhalt bestreiten und sich somit vor dem Hungertod retten.

Bei einem solchen Kaufgeschäft falle dann die Gleichheit und Brüderlichkeit vollständig weg. Damit aber die Unternehmer und Kapitalisten bei plötzlich an sie herantretenden großen Bestellungen auch sofort genügend Arbeitskräfte einstellen können, so halten sich dieselben noch eine Reservearmee und die bestehe:

1.) aus brauchbaren Arbeitern, welche abwechselnd im Streik liegen.

2.) Der Zuzug vom platten Lande, welche hier von ihren Spargroschen leben.

3.) Die unbrauchbaren, sogenannten Gelegenheitsarbeiter.

4.) Die ausgebeuteten und aufs Pflaster gesetzten alten und gebrechlichen Leute.

Diese Reservearmee müßte unter allen Umständen vorhanden sein, um bei plötzlicher Nachfrage den Bedarf damit zu decken.

Rednerin sprach dann noch über den Fortschritt der Technik, und wie dadurch die Nachfrage nach menschlicher Kraft immer weniger werde.

Die jetzige kapitalistische Wirtschaftsordnung müßte abgeschafft werden, und es müßte[n] herrschen: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für alle.

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