Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 111

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der Sklaverei gefolgt, wo auch die Gewalt in den Händen des Priesters und der besitzenden Klasse gewesen sei. In späteren Jahren habe die Zunftgesellschaft bestanden, wo jedem Arbeiter vorgeschrieben wurde, welches Handwerk und welche Arbeit er verrichten solle. Mit dem immer Weiterschreiten der Kultur und der Macht des Kapitals sei die jetzt bestehende Gesellschaft der herrschenden Klasse entstanden, die sich nur zur Pflicht macht, die Arbeiter, durch welche sie ernährt wird, in ihrer Gewalt zu behalten und auszubeuten. Dieser kapitalistischen Gesellschaft stehe jetzt eine Gesellschaft der arbeitenden Klasse gegenüber, die politischen und gewerkschaftlichen Organisationen, welche die Arbeiter vor der Ausbeutung des Kapitals schützen. Diese Organisationen müßten immer noch mehr gestärkt und ausgebaut werden.

III.

1. November 1907 – Der Warenaustausch –

Nach einem Polizeibericht vom 1. November 1907

Rednerin führte aus, daß in früheren Jahrhunderten die kommunistische Gemeinde eingeführt war. Diese kommunistische Gemeinde habe von ihren Gemeindemitgliedern Handwerker aller Art angestellt, die für die Gemeinde Waren ihres Berufs anfertigen mußten. Hierfür erhielten sie ihren Lebensunterhalt. Es blieb sich gleich, ob sie in einem Monat viel oder wenig anzufertigen hatten, der gelieferte Lebensunterhalt war immer der gleiche. Wenn einer dieser Handwerker faul gewesen sei, sei eine Versammlung einberufen worden, in der er durch ernste Worte an seine Pflicht erinnert wurde. In Rußland bestünden diese Zurechtweisungen heute noch, nur mit dem Unterschiede, daß sie nicht mit Worten, sondern mit der Knute ausgeführt würden. Nach Aufhebung der kommunistischen Gemeinde sei die Produktion der Waren eine andere geworden. Ein jeder könnte jetzt auf seine eigene Rechnung Waren produzieren, so viel er wollte. Auch habe niemand etwas dagegen, wenn er nichts tut, denn jeder [müsse] für seinen Lebensunterhalt allein sorgen. Da nun der Schuhmacher nicht von seinen Stiefeln, der Bäcker nicht von seinen Backwaren leben konnten, so mußte ein Austausch mit den Waren erfolgen. Dieser Warenaustausch habe auf dem Markte stattgefunden. Je mehr Waren ein Handwerker auf dem Markte eintauschen konnte, desto mehr hatte er für seinen Lebensunterhalt gehabt. Es stellte sich aber bald heraus, daß nicht jeder Mann zu jeder Zeit Bedarf an Waren ein und derselben Art habe, deshalb sei nicht die Ware gegen Ware, sondern die Waren gegen Vieh eingetauscht worden. Das Vieh sei früher als das Wertvollste geschätzt und ein jeder, der viel Vieh hatte, als reich angesehen worden. Da auch dieser Warenaustausch nicht immer praktisch gewesen sei, so sei ein Austausch zwischen Ware und Geld eingeführt worden, der auch noch jetzt bestehe. Zum Schluß schilderte sie den Warenaus-

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