Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 87

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not in Rußland. Łódź arbeitet eben für den russischen Markt; der hungernde Bauer kann keine Ware kaufen, der Kaufmann hütet sich, sein Lager zu füllen, zumal er keinen Kredit findet. Unter solchen Umständen bedeutet die Stillegung der großen Fabriken für die Kapitalisten keinen allzu großen Verlust. Dabei kommt in Betracht, daß diese Kapitalmagnaten in der Tat über riesenhafte Mittel verfügen. Seit zwei Menschenaltern wurden in Łódź fabelhafte Profite erzielt; obgleich die Fabrikanlagen mit schwindelhafter Schnelligkeit erweitert wurden, sind sie heute amortisiert, die Baumwollkönige sind nicht auf Kredit angewiesen, im Gegenteil, die Scheibler, Poznan´ski, Heinzel verfügen über immense Geldkapitalien, beherrschen die Banken. Unter solchen Verhältnissen ist die Sperrung der Fabriken für Wochen, selbst für Monate ein Verlust, der sich verschmerzen läßt. Ja, sie ist unter Umständen ein gutes Geschäft: Es gibt in Łódź noch Dutzende von kleineren Fabriken, besonders Webereien, die den Riesenbetrieben lästige Konkurrenz machen. Werden nun die großen Fabriken gesperrt, so sind diese Konkurrenten lahmgelegt, denn sie bekommen kein Garn; eine solche Produktionsstockung halten sie aber nicht aus, weil sie alle auf Kredit arbeiten und nur bei ununterbrochenem Umsatz existieren können. Die Aussperrung könnte daher den – für die Scheibler, Poznan´ski und Konsorten erwünschten – Ausgang haben, daß der Widerstand der Arbeiter gebrochen und die kleinen Konkurrenten, die noch nicht durch die wirtschaftliche Depression der Revolutionszeit vernichtet sind, ans Messer geliefert werden. Ein Trust der Baumwollmagnaten zur Ausplünderung der Konsumenten ist dann das nächste Ziel.

Die Aussperrung war also beschlossene Sache bei den Hauptmachern. Man wartete auf eine „schickliche“ Gelegenheit.

Diese bot sich in der Fabrik von Poznan´ski. Das ist für jeden Kenner der Dinge in Łódź sehr erklärlich, denn die Herren Poznan´ski sind in ganz Polen die Personifizierung schmutzigster Profitgier und Skrupellosigkeit. Noch vor 40 Jahren war der Begründer der Firma, der Vater der jetzigen Millionäre, ein schäbiges Schacherjüdlein; auf dem Wege zum Reichtum streiften Papa und Söhne mehr als einmal das Zuchthaus mit dem Ärmel. Da ist z. B. ein Vorkommnis solcher Art: Poznan´ski baut eine Weberei und eine eigene Gasanstalt. Da aber die Gasleitung der Stadt sein Grundstück streift, bohrt der Ehrenmann das Rohr der städtischen Leitung an und stiehlt der Stadt jahrelang das Gas. Da sind vertuschte Prozesse wegen Vertriebes falschen Geldes, Prozesse wegen Diebstahl von Mustern usw. usw. Als Arbeitgeber sind die Herren die schmutzigste Gesellschaft in ganz Łódź und das will etwas heißen. Natürlich sind die Angestellten der Firma zumeist würdige Diener ihrer Herren. Es gibt darunter Leute, die eine ganze Garnitur von Kriminalverbrechen auf dem Kerbholz haben, weil eben anständige Techniker und Meister es nicht so lange bei solchen Unternehmern aushalten, sondern in der Regel mit Krach, wobei es wiederholt Ohrfeigen für die Herren Chefs setzte, schleunigst ihre Stellung verlassen. Was Wunder, wenn in der Fabrik von Poznan´ski das Verhältnis zwischen Arbeitern einerseits und

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