Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 563

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Bis dahin existiert Deutschland also sozusagen gar nicht für die Nationalökonomie.

Die einzige ist die sog. historische Schule. Begründer Professor Roscher, aber mit ihm zusammen noch Professor Hildebrand, Knies.[1]

Es gibt und kann keine Theorie der Nationalökonomie geben, nur eine Geschichte der Wirtschaft. Man kann nicht allgemeine Grundsätze aufstellen, die von Ricardo und Smith seien zu verwerfen, denn sie verwerfen die ethischen Gesichtspunkte.

Wir müssen nur geschichtliches Material sammeln, wie alles geworden ist.

Die Schule hat angefangen, eine Unmasse Monographien herauszugeben, ohne einen Versuch gemacht zu haben, eine Theorie aufzustellen. Bekämpfen natürlich die Werttheorie von Marx, Engels und Ricardo und Smith.

Aus der historischen Schule hat sich der Kathedersozialismus[2] herausgebildet. Er wurde 1872 in Eisenach gebildet.

Diese Schule wollte die Klassengegensätze verwischen.

Hauptvertreter sind: Schäffle, Wagner, Schönberg, alles Professoren.[3]

Der Kathedersozialismus ist längst entschlafen, sind eingeschwenkt ins Lager des Unternehmertums.

Einer der Professoren hat für das Sozialistengesetz gestimmt.[4]

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[1] Wilhelm Roscher: Grundlagen der Nationalökonomie. Ein Hand- und Lesebuch für Geschäftsmänner und Studierende, 3. verm. und verb. Aufl., Stuttgart/Augsburg 1858. – Bruno Hildeband: Die Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft, Frankfurt am Main 1848. – Karl Knies: Die politische Oekonomie vom Standpunkte der geschichtlichen Methode, Braunschweig 1853.

[2] Der Kathedersozialismus war eine bürgerliche sozialreformerische Richtung in der Nationalökonomie, die sich im letzten Drittel des 19. Jh. an den deutschen Universitäten als Oppossition gegen das Manchestertum herausbildete. Viele seiner Vertreter gehörten dem Verein für Socialpolitik an.

[3] Siehe Albert Eberhard Friedrich Schäffle: Kapitalismus und Socialismus: mit besonderer Rücksicht auf Geschäfts- und Vermögensformen; Vorträge zur Versöhnung der Gegensätze von Lohnarbeit und Kapital, Tübingen 1870; Adolph Wagner: Rede über die sociale Frage: gehalten auf der freien kirchlichen Versammlung evangelischer Männer in der K. Garnisonkirche zu Berlin am 12. Oktober 1871, Berlin 1872; Gustav von Schönberg: Arbeitsämter. Eine Aufgabe des deutschen Reichs. Akademische Rede, Berlin 1871.

[4] Adolph Wagner stimmte 1878 für das Sozialistengesetz. – Das mit 221 gegen 149 Stimmen im Deutschen Reichstag am 19. Oktober 1878 auf Druck von Otto von Bismarck angenommene Gesetz „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ trat am 21. Oktober 1878 mit seiner Verkündung in Kraft. Es stellte die deutsche Sozialdemokratie außerhalb des Gesetzes, unterwarf ihre Mitglieder Verfolgungen und Schikanen und erschwerte die Arbeit der Partei außerordentlich. Unter Druck der Massen und angesichts der Differenzen innerhalb der herrschenden Klassen, die sich im Reichstagswahlergebnis am 20. Februar 1890 widerspiegelten, lehnte der Deutsche Reichstag am 25. Januar 1890 mit 169 gegen 98 Stimmen die Verlängerung des Sozialistengesetzes in dritter Lesung ab. Siehe dazu u. a. Nach 20 Jahren. In: GW, Bd. 6, S. 232 ff.