In Wirklichkeit gibt es noch eine Masse von Möglichkeiten, die es erlauben, bald zeitweise, bald [sic!]
Die Differentialgrundrente. Sie kommt aus der Verschiedenheit der Fruchtbarkeit der verschiedenen Grundstücke, die in der Landwirtschaft von verschiedenen privaten Grundbesitzern verwendet werden. Die Höhe der Lebensmittelpreise in der Landwirtschaft ist so groß, daß eine gewisse Rente abfällt.
Die Differentialgrundrente bildet ein Extra-Einkommen jeder Bodenklasse, die über dem schlechtesten Boden steht.
Diese Differentialgrundrente ist natürlich einer bestimmten Bewegung unterworfen. Wenn plötzlich ein ganz neues Land auf dem Weltmarkt erscheint, plötzlich eine ganze Masse Produkte zu ganz geringen Kosten hinwirft, so …
Die Produktionskosten richten sich jeweilig nach der schlechtesten Bodengattung. Die Preise auf dem Weltmarkt sind gefallen.
Wir haben in den [18]80er Jahren einen Sturz der Lebensmittelpreise erlebt, dagegen seitdem ein unaufhörliches Steigen der Lebensmittel. Und wenn wir genauer zusehen, so müssen wir sagen: Das beruht auf dem allgemeinen Zug der kapitalistischen Gesellschaft. Wir werden leider damit rechnen müssen, daß es nicht anders wird, die Preise werden weiter steigen. Die Kapitalisten werden sich an den Lohn halten und ihn drücken wollen. Das ist wichtig für die gewerkschaftliche Bewegung. Von diesem Gesichtspunkt aus sind unsere Aussichten durchaus keine rosigen. Aber als Realpolitiker muß man damit rechnen.
Im Anschluß an die Grundrententheorie empfiehlt Gen. Luxemburg uns die Lektüre des Buches von Kautsky: „Die Agrarfrage“.[1] Es wird neu erscheinen.
In diesem Buch ist auch dargelegt, weshalb die allgemeine Entwicklung, die in der Konzentration zutage tritt, in der Landwirtschaft einigermaßen verwischt wird. Es ist dies sozusagen eine optische Täuschung, die daher kommt, weil man ganz mechanisch dieselben Gesichtspunkte der Industrie auf die Landwirtschaft überträgt.
SAPMO-BArch, NY 4002/16, Bl. 141-158, Kopie.
In englischer Übersetzung erschienen in: The Complete Works of Rosa Luxemburg. Volume I. Economic Writings 1. Edited by Peter Hudis. Translated by David Fernbach, Joseph Fracchia and George Shriver, London/New York 2013, S. 485-502.
[1] Siehe Karl Kautsky: Die Agrarfrage. Eine Uebersicht über die Tendenzen der modernen Landwirtschaft und die Agrarpolitik der Sozialdemokratie, Stuttgart 1899, 2. Aufl. Stuttgart 1902.