Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 466

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1214–1219 kam ein neues freies Stadtrecht in Straßburg zusammen, und zwar durch Übereinkommen der Bürgerschaft mit dem Bischof. Es war also ein Kompromiß. Doch schon 1261 begann der Kampf von neuem, da der neue Bischof die Konzessionen des alten nicht anerkennen wollte. Da jedoch die Stadt fortfuhr, Meister zu wählen und Steuern zu erheben, so verließ der Bischof mit der Geistlichkeit die Stadt und tat sie in Bann. Der Kampf dauerte bis zum neuen Vergleich 1263. In diesem Jahre errang die Stadt das freie Wahlrecht des Stadtrats, und das Recht des Bischofs sank zum bloßen Symbol der Eidesleistung. Die frei gewählten Stadträte leisteten dem Bischof einen Eid.

In Worms führte der Bischof ursprünglich den Vorsitz im Stadtrat als Grundherr. Der Stadtrat wurde gebildet aus vier freien Dorfmarken. Die Stadträte sanken aber bald genau wie in anderen Städten zu bloßen Boten, d. h. Dienern des Bischofs herab. Dann begann der Kampf der Stadt mit dem Bischof.

Nun mischt sich eine dritte Macht ein, der Kaiser. Er stand auf der Seite der Städte, denn damals kämpfte das Kaisertum gegen das Papsttum. Die Städte leisteten ihm dafür Geldabgaben. Die Truppen des Kaisers rekrutierten sich aus der städtischen Masse der Bevölkerung, sie waren nicht mehr feudal. Das war entscheidend.

Namentlich scharf trat das hervor in Frankreich. In Deutschland traten die Kaiser bald für die Bischöfe, bald für die Städte ein. Sie spielten eine sehr zweideutige Rolle. Sie suchten aus den Städten herauszupressen, was sie konnten, sympathisierten aber mehr mit den Feinden der Städte.

So mischt sich der Kaiser Friedrich I. in Worms ein. Nach ihm sollte 1156 der Stadtrat aus 28 Bürgern – Geschlechtern und aus zwölf bischöflichen Ministerialen oder Rittern bestehen. Aber der Bischof erkannte das nicht an, und der Kampf dauerte fort. Im Anfang des 13. Jh. versuchte der Bischof, den Stadtrat von 40 auf zwölf Mitglieder herabzusetzen, um ihm die Bedeutung zu nehmen. Das erkannten die Bürger nicht an, und der Kaiser unterstützte sie. 1220 wurde der neue Stadtrat aus 40 Mitgliedern nochmals gewählt.

Die Bischöfe in ganz Deutschland ließen sich aber im gleichen Jahre ihre Rechte vom Kaiser bestätigen. Und auf den Reichstagen – das war die Zusammenkunft aller weltlichen und geistlichen Fürsten im Mittelalter – 1231 in Worms und 1232 in Ravenna – setzten sie sogar die Kassation aller ohne ihre Zustimmung gewählten Stadträte durch. Es wurden also alle Konzessionen wieder zurückgenommen.

Die Bürgerschaft und der Stadtrat von Worms legten dagegen energisch Protest ein. Darauf änderte der Kaiser Heinrich VII. abermals die Ansicht und überließ 1232 den „lieben“ Bürgern von Worms ihre hergebrachten Rechte und insbesondere ihren Stadtrat. Darauf kam es 1233 schon zu heftigen Kämpfen in der Stadt. Denn der Bischof Heinrich wollte das nicht anerkennen, es kam wieder ein Kompromiß, und der Kaiser bestätigte auch diesen wieder. Der Vergleich war folgender: Der Bischof erkennt den Stadtrat an, aber dieser wurde so organisiert: Der Bischof ernannte auf

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