Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 383

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Geschichte der Krisentheorien

Den ersten Anstoß gab zur Untersuchung und wissenschaftlichen Diskussion die Krise von 1815. Der erste, der die Frage behandelte, war Robert Owen, in seinen Schriften 1816, 1819, 1823.[1] Owen erklärt den Widerspruch der Krisen durch die Steigerung der Produktivität und der dadurch hervorgerufenen Verringerung des Lohnes.

Forderungen: Beschäftigung durch den Staat und Beteiligung an den Produkten.

In England Malthus.

In Frankreich Sismondi.

Beide leiten die Krise ab von der Einkommensverteilung, um nach entgegengesetzten Standpunkten [zu erklären].

Malthus sieht eine Entlastung durch unproduktive Konsumenten.

Adel, Staatsbeamte und Militarismus.

Sismondi denselben Ausgangspunkt. Er sieht aber in der Konsumunfähigkeit der großen Massen die Ursache der Krise. Abhilfsmittel: Besserung in der Lage der Arbeiterklasse, möglichst gleichmäßige Verteilung der Einkommen. Keine zu großen Kapitalisten und keine armen Arbeiter.

Say tritt gegen diese beiden auf. Die Krisen sind seiner Ansicht nach unmöglich. Nur ein Mißverständnis. Die Waren werden ja nur gegen Waren ausgetauscht, wenn aber in einem Zweig zu viel Waren sind, so muß in einem andern Zweig mehr produziert werden. Dies ist tatsächlich die gegebene Praxis des Kapitalismus. Diese Theorie mußte den Liberalen gefallen.

Say abstrahiert vom Kapitalismus und legt seinen Betrachtungen Verhältnisse zugrunde, die bereits vor Jahrtausenden existierten, zu einer Zeit, wo es noch keine Warenproduktion gab, wo also der Austausch unmittelbar ohne die Vermittlung des Geldes vor sich ging.

In diesen drei Erklärungen erschöpft sich die bürgerliche Wissenschaft, sie muß sich erschöpfen. Die richtige Erklärung konnte erst einer geben, der den Kapitalis[mus] überhaupt kritisierte, ist Marx. Bürgerliche Wissenschaft ein Ekletizismus.

Typus Prof. Herkner, er gibt eine Menge von Ursachen.[2]

1886 eine Untersuchung der Ursachen einer Krise in Amerika zeitigte 180 Ursachen.

Manche Leute glaubten in den Sonnenflecken die Ursache zu finden, von b durch solche auch die Revolution erklären mußten. [sic!]

Tugan-Baranowski (Buch über die Geschichte der Krisen in England)[3] Die Krisen ergeben sich aus einer ständigen Disproportion nach Baranowski. Der Ausweg sei

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[1] Siehe Robert Owen: Observations on the Effect of the Manufacturing System, London 1815; ders.: Two Memorials on Behalf of the Working Classes, London 1818; ders.: An Explanation of the Cause of Distress which Pervades the Civilized Parts of the World, London 1823.

[2] Siehe Heinrich Herkner: Krisen. II. Ursachen der Wirtschaftskrisen. In: Handwörterbuch der Staatswissenschaften. Hrsg. von J. Conrad u. a., Vierter Band, Jena 1892, S. 891 ff.

[3] Siehe Michael von Tugan-Baranowski: Studien zur Theorie und Geschichte der Handelskrisen in England, Jena 1901, S. 149 ff.