Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 312

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So ist es auch zu erklären, daß über das Alter der Nationalökonomie als Wissenschaft sehr verschiedene Auffassungen existieren.

Adolphe Blanqui, ein französischer Nationalökonom, behauptet, daß es eine Nati[onalökonomie] gebe, seitdem es überhaupt eine Kultur gibt.[1]

E. Dühring dagegen sagt, die Nationalök. datiere erst seit der Mitte des 18. Jh.[2]

Lassalle wiederum meinte, die Nationalök. ist eine Wissenschaft, die erst geschaffen werden muß.[3]

Marx faßte die Nationalök. als eine fertige, als eine abgeschlossene Wissenschaft auf. Er stellte deshalb auch sein ökonomisches Hauptwerk (Das Kapital, zur Kritik der politischen Ökonomie) der Nationalök. kritisch entgegen. Kritik üben kann man aber nur an etwas, das man als abgeschlossen betrachtet.

Nationalök. heißt auf Deutsch Volkswirtschaft.

Was versteht man unter dem Begriff Volkswirtschaft?

Einer der namhaftesten heutigen bürgerlichen Nationalökonomen, Professor Bücher (Leipzig), definiert den Begriff auf folgende Weise:

„Die Gesamtheit der Veranstaltungen, Einrichtungen und Vorgänge, welche die Befriedigung Bedürfnisbefriedigung eines ganzen Volkes hervorruft, bildet die Volkswirtschaft.“[4]

Bei der Auslegung von „Bücher“ ist nicht zu verstehen entnehmen, was er unter den Bedürfnissen eines Volkes versteht. Nach der Auffassung von Bücher wäre die Nationalök. eine Wissenschaft sämtlicher Wissenschaften, denn auch die Botanik, die Astronomie, die Zoologie usw. dienen der Befriedigung von Bedürfnissen. Wir würden also hier besser sagen, die Gesamtheit der Veranstaltungen, Einrichtungen u. Vorgänge, welche zur Erzeugung der materiellen Produkte eines Volkes notwendig sind.

Bücher fährt fort:

„Die Volkswirtschaft zerfällt wieder in zahlreiche Einzelwirtschaften, welche durch den Verkehr mit einander verbunden u. dadurch von einander mannigfach abhängig,

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[1] Siehe Adolphe Blanqui: Histoire de l’économie politique en Europe, depuis les anciens justqué à nos jours, Paris 1837.

[2] Siehe Eugen Dühring: Kritische Geschichte der Nationalökonomie und des Sozialismus von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Leipzig 1899, S. 16.

[3] Siehe Ferdinand Lassalle: Herr Bastiat-Schulze von Delitzsch, der ökonomische Julian oder Kapital und Arbeit. In: Ferd. Lassalle’s Reden und Schriften. Neue Gesammt-Ausgabe. Mit einer biographischen Einleitung hrsg. von Ed. Bernstein. Dritter Band, Berlin 1893, S. 18.

[4] Siehe Karl Bücher: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Vorträge und Versuche, 4. Aufl., Tübingen 1906, S. 85.