Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 187

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-7-1/seite/187

Lose Notizen [Deckblatt]

3) Billiges Roheisen in Marokko! Wenn solche „Deutsche Hände“ wie Mannesmann, Thyssen, Stinnes, Kirdorf, Krupp & Kons. diese Erzlager kriegen, bedeutet denn das, daß die deutsche Industrie billige Erze kriegt? Sehen wir Nun, wir haben reiche Kohlenlager, reiche Erzlager in Dlnd selbst, im Westen. Die werden künstlich verteuert durch die Kartell- u. Syndikatspolitik derselben Kapitalistengruppen!

Wozu soweit gehen? Im südwestlichen luxemburg-lothringischen Gebiet gibt es das reichste Erzgebiet Europas mit dem größten Kohlenlager. Um es für die deutsche Ind. auszunutzen – Moselkanal. Dieses wird nicht ausgeführt, weil Eisen – u. Thyssen, Stinnes, Krupp etc. am Stahlkönige [?] nordwestl. interessiert sind!

N.Z. Nr. 51, 22. Sept. 1911[1]

Jetzige Kolonialkonfl[ikte]:

1) Italienisch-türk. Krieg[2]

2) Franz.-spanisch[3]

3) Belgisch-Kongo[4]

Nächste Seite »



[1] Gemeint ist der Artikel von F. Andrêc: Das Moselland und die westdeutsche Eisenindustrie. In: Die Neue Zeit, 29. Jg. 1910–1911, 2. Band, Nr. 51 vom 22. September 1911.

[2] Im September 1911 hatte Italien einen Krieg gegen das Osmanische Reich provoziert. Unter Ausnutzung der imperialistischen Gegensätze um Marokko gelang es Italien im Oktober 1912, Tripolis und die Cyrenaica zu annektieren.

[3] Mit dem Französisch-Spanischen Krieg ist die Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Spanien 1911/1912 um Einflußzonen in Marokko gemeint. 1904 hatten sich beide Staaten über eine Aufteilung Marokkos bereits verständigt. Am 21. Mai 1911 marschierten französische Truppen in Marokko ein und besetzten Fès und Rabat, um Sultan Mulai Abd al-Hafiz im Kampf gegen aufständische Stämme zu unterstützen. Daraufhin löste Spanien für seine Truppen Alarmbereitschaft aus, und Deutschland entsandte das Kanonenboot Panther nach Agadir. Die zweite Marokkokrise war damit entbrannt. Großbritannien befürchtete, das Ziel des Deutschen Reiches sei die Errichtung einer Flottenbasis in Agadir, um die britischen Seeverbindungen nach Ägypten und Indien zu beherrschen, und stellte sich auf die Seite Frankreichs. Die Krise wurde am 4. November 1911 mit dem Marokko-Kongo-Vertrag beigelegt, in dem das Deutsche Reich auf seine Ansprüche in Marokko verzichtete. Im Vertrag von Fès vom 30. März 1912 wurde der Hauptteil von Marokko mit Casablanca, Rabat, Marrakesch und Fès französisch. Spanien erhielt mit Abschluß des französisch-spanischen Vertrages vom 27. November 1912 eine eigene Einflußzone zugesprochen und errichtete das Protektorat Spanisch-Marokko.

[4] Die Berliner Konferenz von 1885 hatte den Kongo-Freistaat als Besitz der Association Internationale du Congo bestätigt, die jedoch in Händen des belgischen Königs Leopold II. dessen Privatkolonie war. Unter der Bezeichnung Kongogreuel wurde die systematische Ausplünderung des Kongo-Freistaates zwischen 1888 und 1908 bekannt, als Konzessionsgesellschaften die Kautschukgewinnung durch Sklaverei und Zwangsarbeit betrieben. Es wird geschätzt, daß 8 bis 10 Mill. Kongolesen dabei den Tod fanden. Wiederholt kam es zu Aufständen und Rebellionen, die durch die Kolonialarmee brutal niedergeschlagen wurden. Die „Kongo-Greuel“ lösten einen weltweiten Proteststurm aus, so daß 1908 der belgische Staat Kongo als Kolonie Belgisch-Kongo übernahm. Offiziell wurde die Zwangsarbeit 1910 abgeschafft.