Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 410

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Forschern Streitigkeiten über die Bedeutung, die Ausdehnung der Sklaverei und die Art und Weise ihrer Entstehung. Wir sind mehr oder weniger auf Hypothesen angewiesen.

Es ist notwendig, daß man sich die historische Entstehungsweise der Sklaverei aus der Markgenossenschaft und der Gentilverfassung heraus vorstellt. Wenn wir danach suchen, wo die Mark und die Gens uns schon die ältesten Formen der Ausbeutung und Knechtung zeigen, so werden wir zwar zunächst nicht auf die Sklaverei kommen, aber auf andere Formen, die uns vielleicht zu ihr hinführen.

Wir brauchen nicht, wie Engels, die Ausbeutung erst hinter die Entstehung des Privateigentums zu setzen.[1] Die Markgenossenschaft selbst läßt Raum für Ausbeutung und Knechtung. Das Aufpfropfen einer fremden Markgenossenschaft auf eine andere erlaubt und schafft ein Ausbeutungs- und Knechtungsverhältnis nach außen hin. (Die Mark verbürgt zwar den Kommunismus nach innen, aber nicht nach außen.) Ein Beispiel dafür ist das Inkareich. Das Inkareich lehrt überdies noch ein anderes: Trotzdem die Eroberer, die Inkas, selbst in Markgenossenschaften zusammenlebten, finden wir bei ihnen schon vier herrschende Geschlechter, deren Vertreter an der Spitze der vier Provinzen standen, in die das Land eingeteilt war. Die Inkas hatten schon ein stehendes Heer notwendig zur Aufrechterhaltung der Eroberung. Es gab also schon eine gewisse Aristokratie innerhalb der Mark. Wie ist die entstanden?

Die vier Geschlechter werden die Eroberung in die Hand genommen haben. Diese vier Geschlechter hätten wahrscheinlich immer mehr eine besondere Stellung eingenommen, wenn nicht die spanische Eroberung diesem Prozeß ein Ende gemacht hätte.

Ähnliche Beispiele, daß sich Ausbeutung mit der Mark verträgt, haben wir noch mehrere. Z. B. das älteste historische Zeugnis von der Insel Kreta ist, daß sie von Doriern erobert wurde. Die Dorier waren einer der Hauptstämme der Griechen. Die Eroberung fand in vorhistorischer Zeit statt. Wer auf Kreta wohnte, wissen wir nicht. Die eroberte Bevölkerung auf Kreta mußte den ganzen Ertrag ihrer Äcker abzüglich des für sie und ihre Familien erforderlichen Unterhalts abliefern an die Eroberer. Aus

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[1] Gemeint ist Engels’ Aussage: „Mit der Sklaverei, die unter der Zivilisation ihre vollste Entfaltung erhielt, trat die erste große Spaltung der Gesellschaft ein in eine ausbeutende und eine ausgebeutete Klasse. Diese Spaltung dauerte fort während der ganzen zivilisierten Periode. Die Sklaverei ist die erste, der antiken Welt eigentümliche Form der Ausbeutung; ihr folgt die Leibeigenschaft im Mittelalter, die Lohnarbeit in der neueren Zeit. Es sind dies die drei großen Formen der Knechtschaft, wie sie für die drei großen Epochen der Zivilisation charakteristisch sind; offne, und neuerdings verkleidete, Sklaverei geht stets danebenher.

Die Stufe der Warenproduktion, womit die Zivilisation beginnt, wird ökonomisch bezeichnet durch die Einführung 1. des Metallgeldes, damit des Geldkapitals, des Zinses und Wuchers; 2. der Kaufleute als vermittelnder Klasse zwischen den Produzenten; 3. des Privatgrundeigentums und der Hypothek und 4. der Sklavenarbeit als herrschender Produktionsform.“ Siehe Friedrich Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats. Im Anschluß an Lewis H. Morgans Forschungen. In: MEW, Bd. 21, S. 170.