Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 456

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treten, so ist es das Vorgehen der württembergischen Fraktion. Die Erklärung von Kolb und seinen Landtagskollegen beweist uns, wieviel Wert in den Berufungen der badischen Landtagsabgeordneten auf die Zustimmung der Arbeitermassen steckt. („Sehr richtig!“) Diese Erklärung zeigt uns, daß unsere Parlamentarier mit dem Willen des Volkes genauso verfahren wie die Agrarier gegenüber dem König, daß sie sagen: das Volk absolut, wenn es unseren Willen tut. (Große Unruhe bei den Süddeutschen, lebhafter Beifall bei der Mehrheit.) Wenn sich die Arbeiter gegen Eure Politik erklären, so geniert Euch das nicht, und man macht dann über die Köpfe der Mehrheit der württembergischen Genossen hinweg eine Demonstration auf dem Parteitag zugunsten der badischen Landtagsfraktion. Es zeigt sich, daß diese Parlamentarier keinen Wert legen auf die Demonstration gegen den Klassenstaat (Fortgesetzte Schlußrufe bei den Süddeutschen, auf die die Norddeutschen mit dem Ruf „Ruhe!“ antworten.), wohl aber auf Demonstrationen gegen die eigenen Arbeiter. Frank hat mit einer sehr richtigen Bemerkung geschlossen (Die Rufe „Schluß!“ wiederholen sich so stürmisch, daß die Rednerin einen Satz, den sie beginnt, nicht beenden kann. Der Vorsitzende Dietz ersucht die Rednerin, abzubrechen; sie erklärt, daß sie sich füge, doch gehen ihre Worte unter dem Lärm vollkommen verloren. Fortgesetzt erschallen aus den Reihen der Minderheit Schlußrufe. Frank ruft: „Ihre Zeit ist vorbei, Genossin Luxemburg!“ Heiterkeit bei den Süddeutschen. Von anderer Seite wird gerufen: „Abtreten!“ Der Lärm schwillt so an, daß der Vorsitzende droht, falls keine Ruhe eintritt, würde er die Sitzung auf kurze Zeit aufheben. Die Genossin Luxemburg verläßt schließlich unter brausendem Beifall der Mehrheit die Rednertribüne.)

III Begründung des Antrages zum politischen Massenstreik

[1]

Eine Reihe von Delegierten, die unseren Antrag nicht unterschrieben haben, haben erklärt, daß sie sachlich vollkommen damit übereinstimmen, daß sie aber Bedenken tragen, daß ein Wort in unserem Antrage Mißverständnisse in bestimmten Kreisen der Partei hervorrufen könnte, und zwar das Wort „Propagierung“. Wir sind damit einverstanden, daß dieses Wort im Antrage gestrichen wird. Wir haben unseren Antrag als notwendige Ergänzung zur Resolution des Parteivorstandes eingebracht.

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[1] Redaktionelle Überschrift. – Siehe dazu Rosa Luxemburg: Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 18. bis 24. September 1910 in Magdeburg. Rede zur Budgetabstimmung. In: GW, Bd. 2, S. 451.