Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.1, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 409

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Mitschriften der Parteischülerin Rosi Wolfstein in den Vorlesungen Rosa Luxemburgs 1912/13

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Sklaverei

Die Tendenz der Markgenossenschaft ist es, sich zu zersetzen und neuen Verhältnissen Platz zu machen, wenn das auch überall je nach dem Milieu unter anderen Bedingungen und anderen Folgen vor sich geht.

Die älteste Form, die sich nach der Markgenossenschaft einwurzelt – mehr oder weniger in der alten Welt – ist die Sklaverei, die älteste Form der Klassenherrschaft und der ökonomischen Ausbeutung.

Engels sagt in seinem Anti-Dühring (S. 162-193)[2] daß, nachdem das Privateigentum aufkam, die Möglichkeit geschaffen war, eine oder mehrere fremde Arbeitskräfte zu beschäftigen. Das eigene Gemeinwesen und der Verband, dem es angehörte, lieferte keine überschüssigen Arbeitskräfte. Aber der Krieg lieferte sie; die Kriegsgefangenen, die bisher erschlagen, ja früher noch früher verspeist worden waren, wurden jetzt als Arbeitskräfte verwendet. (Siehe Anti-Dühring, S. 188-189).[3]

Diese Erklärung kann uns genauer genommen nicht genügen.

Über die Tatsachen der Sklavenwirtschaft und ihre Entstehung sind wir leider viel zu mangelhaft orientiert. Bis in die neueste Zeit hinein gibt es unter den bürgerlichen

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[1] Überschrift der Redaktion. – Die Mitschriften von Rosi Wolfstein werden als Typoskripte im RGASPI, Moskau, Fonds 209, aufbewahrt und liegen in Kopie auch in der SAPMO-BArch. Sie wurden zuerst von Narihiko Ito, Tokio, erschlossen. Diese Typoskripte sind sehr wahrscheinlich in Vorbereitung der neunbändigen Werkausgabe Rosa Luxemburgs entstanden. Sie war nach Beschlüssen des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale und der KPD im Sommer 1921 unter Verantwortung von Clara Zetkin und Adolf Warski vorgesehen. In den 1920er Jahren konnten nur die Bände III, IV und VI erscheinen. Redakteur dieser ersten mehrbändigen Werkausgabe war bis zu seinem Ausschluß aus der KPD 1928 Paul Frölich, der Lebensgefährte und spätere Ehemann von Rosi Wolfstein. – Die Typoskripte sind vermutlich von Rosi Wolfstein selbst bzw. unter ihrer Aufsicht nach ihren stenographischen Mitschriften angefertigt, ergänzt und systematisiert worden. Auf Blatt 99, siehe SAPMO-BArch, NY 4002/16, ist von stenographischer Mitschrift die Rede, und die ersten 100 Blatt, und zwar Sklaverei, Mittelalter, Feudalismus und Entwicklung der Städte, werden direkt als Redaktionsunterlagen bezeichnet.

[2] Siehe Friedrich Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft („Anti-Dühring“). In: MEW, Bd. 20, S. 136 ff.

[3] „Die Produktion war so weit entwickelt, daß die menschliche Arbeitskraft jetzt mehr erzeugen konnte, als zu ihrem einfachen Unterhalt nötig war; die Mittel, mehr Arbeitskräfte zu unterhalten, waren vorhanden; diejenigen, sie zu beschäftigen, ebenfalls; die Arbeitskraft bekam einen Wert. Aber das eigne Gemeinwesen und der Verband, dem es angehörte, lieferte keine disponiblen, überschüssigen Arbeitskräfte. Der Krieg dagegen lieferte sie, und der Krieg war so alt wie die gleichzeitige Existenz mehrerer Gemeinschaftsgruppen nebeneinander. Bisher hatte man mit den Kriegsgefangnen nichts anzufangen gewußt, sie also einfach erschlagen, noch früher hatte man sie verspeist.“ Siehe ebenda, S. 167.