Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 746

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Methoden der „friedlichen Zeiten“ Jahrzehnte erfordert. Ja, die Revolution schafft, was im gewöhnlichen Trab der Geschichte überhaupt nicht geschaffen werden kann: Sie würfelt und schichtet den ganzen sozialen Körper um. Sie ist es, die plötzlich die nach statistischen Zahlen so „schwache“ Klasse des Industrieproletariats zur Führerin und Trägerin der gesamten heutigen Umwälzung gemacht hat. Die Bewegungen des Beamtentums, des Kleinbürgertums, der liberalen Intelligenz, der Bauernschaft, des Heeres und der Marine sind alle nur Ausstrahlungen der revolutionären Aktion der Arbeiterklasse unter Anführung der Sozialdemokratie.

Moskau, 29. November. Die Repressivmaßnahmen des Ministers des Innern, Durnowo,[1] gegen die Post- und Telegraphenbeamten sowie das Verbot, dem Verbande derselben beizutreten, und die Entlassung von 25 Organisatoren des Verbandes bewogen die Beamten, gestern früh von dem Ministerpräsidenten, Grafen Witte telegraphisch die Erfüllung ihrer Wünsche innerhalb zwölf Sunden zu fordern. Da aus Petersburg keine Antwort einging, begannen die Beamten den Ausstand; der Telefonverkehr Moskau–Petersburg ist ebenfalls eingestellt.

Petersburg, 29. November. In allen Hauptzentren, in Sibirien, Charkow, Odessa, Rostow, Riga, Libau usw. streiken die Post- und Telegraphenbeamten.

Berlin, 29. November. (W.T.B.)[2] Amtliche Meldung. Seit heute Nachmittag sind sämtliche telegraphischen Verbindungen mit Rußland unterbrochen.

Der Generalstreik dehnt sich aus

Warschau, 29. November. Im Dombrowaer Gebiet ist der Generalstreik ausgebrochen.

Petersburg, 29. November. Der Rat der Arbeiterdelegierten hat beschlossen, einen Aufruf an alle Freunde der Freiheit, an die Eisenbahner, die Post- und Telegraphenbeamten, das Heer und die Flotte zu richten, in dem alle aufgefordert werden, die Arbeiter zu unterstützen. Der Grund zu dem Aufruf ist die Aussperrung von 100000 Arbeitern.

Petersburg, 29. November. (B. H.)[3] Die Situation wird hier eine düstere. Die Gärung unter dem Militär nimmt ernste Formen an. Zahlreiche Familien schicken sich an, die Stadt zu verlassen, weshalb das Paßbüro überlaufen ist. – Der amerikanische Botschafter hat beim Minister des Auswärtigen bereits wegen des Überfalles auf den Botschaftssekretär Bleß eine energische Beschwerde erhoben.

Sewastopol hält sich

Sewastopol, 29. November. Der Flügeladjutant des Generalgouverneurs telegraphiert, daß bis jetzt keine Unruhen ausgebrochen sind. Die Meuterer halten Ruhe, man befürch-

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[1] Pjotr Durnowo war vom 30. Oktober 1905 bis 22. April 1906 Innenminister.

[2] Wolffs Telegraphisches Büro.

[3] Vermutlich Büro Hirsch, Presseagentur.