Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 457

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Die Polenkonferenz am 19. Oktober 1902 in Berlin

[1]

I. Leitsätze

a) Organisation

Die polnischen Sozialisten in Deutschland bilden eine Partei, die unter dem Namen „Polnische Sozialdemokratie in Deutschland“ auftritt und die Stellung einer Landesorganisation einnimmt.[2]

Als Programm der Partei gilt das Erfurter Programm. Das Postulat der Unabhängigkeit des polnischen Staates kann nicht als bindendes politisches Programm der Partei gelten und in der Agitation betätigt werden.

Die polnische Sozialdemokratie steht auf dem Boden des allgemeinen Organisationsstatuts der Sozialdemokratie Deutschlands, das heißt sie erkennt als höchste Instanz die Beschlüsse der reichsdeutschen Parteitage und des deutschen Parteivorstandes an, insofern demselben kraft des Organisationsstatuts Befugnisse zustehen.

Der Vorstand der polnischen Sozialdemokratie befaßt sich mit den Angelegenheiten, die allen polnischen Genossen in Deutschland gemeinsam sind. Er wird gewählt zur Hälfte aus den polnischen Genossen in Posen und zur Hälfte aus den polnischen Genossen in Oberschlesien.

Die lokale Agitation in den polnischen Provinzen wird, wie bisher, konzentriert in den Wahlvereinen und geleitet durch die von den deutschen und polnischen Genossen gewählten Agitations-Kommissionen. Sowohl in den Wahlvereinen wie in den Agitations-Kommissionen werden die Interessen, wie bis jetzt, paritätisch von polnischen und deutschen Genossen vertreten.

b) Presse

Die Redaktion der „Gazeta Robotnicza“ besteht aus zwei Genossen, von denen einer durch die Posener, der andere durch die oberschlesischen Genossen gewählt wird.

c) Reichstagskandidaturen

Reichstagskandidaturen werden in den polnischen Provinzen gemäß dem gemeinsamen Organisationsstatut nur durch Kreis- resp. Bezirkskonferenzen, das heißt, durch deutsche und polnische Genossen der Kreise gemeinsam aufgestellt. Der Vorstand und Parteitag der polnischen Sozialdemokratie mischt sich darin ebenso wenig ein wie der Vorstand oder Parteitag der deutschen Sozialdemokratie.

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[1] Überschrift der Redaktion.

[2] Am 10. September 1893 hatte sich die 1890 gegründete Vereinigung polnischer Sozialisten unter Führung von Franciszek Morawski und Franciszek Merkowski mit anderen polnischen sozialistischen Gruppen zur Polska Partia Socjalistyczna (PPS – Polnische Sozialistische Partei) des von Preußen annektierten Teiles von Polen konstituiert. Sie blieb bis 1903 autonomer Bestandteil der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.