Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 583

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Diese Vorgänge trugen sich also am 24. Oktober zu. Eine andere spätere Meldung besagt, daß in Charkow die Republik proklamiert worden sei. Da weitere Truppen herbeidirigiert worden seien, werde es wahrscheinlich zu blutigen Zusammenstößen kommen.

Petersburg, 26. Oktober. In der neuen Admiralität sind die Arbeiter bei den im Bau begriffenen Kriegsschiffen „Bajan“, „Giljak“, „Pallada“ und „Chiwinetz“, sowie die Arbeiter in den Marinewerkstätten in den Ausstand getreten. Ferner sind die Beamten der Generaldirektion der Staatsbahnen im Eisenbahnministerium in den Ausstand getreten, ebenso die Beamten der Semstwo-Verwaltung des Petersburger Gouvernements.

Die Leitung der sozialdemokratischen Partei hat den Verkauf von Feuerwaffen an die Ausständigen organisiert; zu jedem Gewehr werden 25 Patronen abgegeben.

Petersburg, 26. Oktober. In den heutigen Abendstunden war die Universität der Schauplatz einer großen Volksversammlung. Etwa 20000 Menschen waren in dem Hauptsaale und in den Nebensälen sowie in dem großen Hofe versammelt, darunter Angehörige aller Stände, Berufe und Erwerbsklassen. Die Versammlungen verliefen durchaus ruhig. Die Ausführungen der Redner wurden überall mit lauten Beifallsrufen aufgenommen. Im Hofe sprachen Führer der Aktionspartei und forderten die Anwesenden auf, die Lage durch Anwendung von Waffengewalt zu klären. Die bisherigen teilweisen Ausstände hätten sich zu einem gewaltigen vereinten Ausstand des russischen Volkes entwickelt. Dieser Generalausstand aller sei die Revolution. Man habe von Seiten der Regierung die Waffen gegen das Volk angewandt. Nichts könne mehr helfen, die Lage zu klären, als die Anwendung von Waffengewalt auch seitens des Volkes. Während der Reden wurden vom sozialdemokratischen Arbeiterkomitee unterzeichnete Aufrufe verteilt. Die Versammlungen dauerten bis in die Nacht fort.

Warschau, 26. Oktober. Bewaffnete Banden überfielen die Zeitungsdruckereien, vernichteten die Platten und suchten den Druck zu verhindern. Der „Kuryer Warszawski“ erschien trotzdem, wenn auch sehr verspätet. Andere größere Blätter erschienen gar nicht. Die Lebensmittelpreise steigen hier und in L/ódz´ rapid, es droht Kohlenmangel, die Lage ist gespannt. Morgen beginnt der Generalausstand in allen Fabriken.

In Pabianice sind ernste Unruhen ausgebrochen. Das Militär gab Salven ab, wobei mehrere Personen getroffen wurden. Einzelheiten fehlen bisher.

Petersburg, 27. Oktober. (Meldung der „Petersburger Telegraphen-Agentur“.) In der Nacht eingelaufene Telegramme bringen beunruhigende Nachrichten aus Minsk, Kiew und Saratow. In Kiew haben sich die Zeitungen mit Ausnahme des Blattes „Kiewljanin“ dem Ausstand angeschlossen. In Saratow sind alle Apotheken geschlossen. Die Stadt ist ohne Beleuchtung. Statt Zeitungen erscheinen nur Telegramme. Die Saratower Duma hat einen Ausschuß zum Schutz der Bürger organisiert.

Petersburg, 27. Oktober. In der gestern abgehaltenen Sitzung der professionellen Verbände beschlossen die Apotheker, Ärzte, Advokaten und andere Berufsklassen, sich am 28. Oktober dem Ausstande anzuschließen. Die Setzer faßten den Beschluß, nur in revolutionärem

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