man so tut, als ob man die Schule den Kongregationen entreißen wolle, beeilt man sich, diesen Versuchen jede politische Wirkung zu entziehen, indem man die Kirche unterstützt und als staatliche Institution schützt.
Das Verhalten des Waldeck-Rousseau Kabinetts ist besonders typisch.[1]
Deshalb wäre es ganz besonders falsch, diese erbärmlichen, antiklerikalen Maßnahmen der radikalen Ministerien und der parlamentarischen Mehrheit als den Anfang von umfangreicheren Reformen, als eine Teillösung des Problems hinzustellen. Ganz im Gegenteil. Der sinnlose Kampf gegen die Kongregationen führt dazu, den Angriff von der verwundbarsten Stelle abzulenken und so die Hauptstellung des Klerus zu decken.
Die Kirche pflegt sorgfältig die Lieblingsvorstellung der bürgerlichen Republikaner, deren Glauben an einen politischen Antagonismus zwischen Welt- und Ordensgeistlichkeit, indem sie zwischen beiden öffentlich Feindseligkeiten zelebriert.
So führt der bürgerliche Antiklerikalismus dazu, die Macht der Kirche zu stärken. Es verhält sich wie beim bürgerlichen Antimilitarismus, der in der Dreyfus-Affäre zum Vorschein kam. Dort wurde lediglich gegen Phänomene, die wie die Korruption des Führungsstabs dem Militarismus nun einmal eigen sind, angekämpft. Das einzige, was vermocht wurde, war, die Institution zu säubern und – so zu festigen.
Die erste Pflicht des Sozialismus ist es selbstverständlich, diese Politik ständig zu entlarven. Um diese Pflicht zu erfüllen, reicht es völlig aus, das absichtlich segmentierte Programm der bürgerlichen Republikaner mit der antiklerikalen Politik der Sozialisten zu konfrontieren. Der Klassenkampf wäre der Korruption verfallen, falls die Sozialisten ernsthaft und ohne Kritik an den jämmerlichen Scheingefechten der radikalen Parlamentarier teilnehmen und nicht bei jeder Gelegenheit verkünden würden, daß die „bourgeoisen“ Priesterfresser vor allem Feinde des Proletariats sind. Dann hätte der republikanische Antiklerikalismus sein Ziel erreicht.
Nicht nur der Kampf gegen den Klerus bliebe hoffnungslos, auch wäre die Gefahr, die sich aus einer Anbindung des proletarischen an das bürgerliche Handeln für die Republik und für den Sozialismus ergibt, mit Sicherheit größer als die Nachteile, die man von den reaktionären Machenschaften der Kirche befürchten muß.
Folglich liegt nach unserer Meinung hier die Lösung, die der Sozialismus in Frankreich wählen sollte: Er darf sich weder für die Taktik der deutschen Sozialdemokratie noch für jene der französischen Radikalen entscheiden; er muß der Reaktion der an
[1] Das Waldeck-Rousseau-Kabinett, in das 1899 der Sozialist Alexandre-Ètienne Millerand eintrat, regierte von 1899 bis 1902, siehe u. a. S. 277 ff., 318 f. und 322 ff.