Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 280

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wirklich notwendig machte. Hier sind, da wir uns nicht auf Erwägungen über die Bedingungen der Taktik einlassen können, allein die französischen Genossen in der Lage zu entscheiden. Aber in dem Maße, wie es einem Außenstehenden gestattet ist, eine Meinung zu haben, scheint es uns schon, daß das Fehlen einer der Vorbedingungen, d. h. einer starken und geeinten Partei, die allein die Vollmacht für dieses gefährliche Experiment hätte geben können, diese Erfahrung als unannehmbar erscheinen läßt. Aber in einem späteren Artikel scheint Jaurès die Frage etwas anders zu stellen. In dem Artikel „Die sozialistische Methode“ – „Petite République“ vom 3. August – scheint er die Tätigkeit von Sozialisten in der bürgerlichen Regierung mit ihrer Tätigkeit im Parlament, im Munizipalrat etc. gleichzusetzen: „Es ist wahr“, sagt er, „daß heute der Sozialismus genügend stark ist, um alle Institutionen zu durchdringen und sich die ganze Macht anzueignen, ohne sich von der bürgerlichen Gesellschaft absorbieren zu lassen.“

Demnach würden wir das Eindringen in die Regierung als eine der zahlreichen sozialistischen Aktionsmethoden prinzipiell akzeptieren – aber das entspricht nicht dem Wesen des Sozialismus. Die Gesichtspunkte, die uns als Richtlinie dienen müssen, haben wir in dem oben erwähnten Artikel vom 6. Juli entwickelt, und wir können uns hier auf das Wesentliche beschränken.

Die einzige Methode, mit deren Hilfe wir die Verwirklichung des Sozialismus erreichen können, ist der Klassenkampf. Wir können und müssen in alle Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft eindringen und all die Ereignisse ausnutzen, die es gestatten, den Klassenkampf zu führen. Von diesem Gesichtspunkt aus war für die Sozialisten die Beteiligung an der Dreyfus-Affäre eine Frage der Selbsterhaltung. Aber von eben demselben Gesichtspunkt aus erscheint die Beteiligung an der bürgerlichen Regierung unter gegenteiligem Vorzeichen, denn die dieser eigenen Natur schließt die Möglichkeit des sozialistischen Klassenkampfes innerhalb derselben aus. Es sind nicht die Gefahren und die Schwierigkeiten der ministeriellen Tätigkeit, die wir für die Sozialisten fürchten. Wir werden vor keiner Gefahr und vor keiner Schwierigkeit zurückweichen, die an eine Position gebunden ist, auf die uns das Interesse des Proletariats stellt. Aber das Ministerium ist generell kein Kampffeld für eine Partei des proletarischen Klassenkampfes. Das Wesen einer bürgerlichen Regierung wird nicht vom persönlichen Charakter ihrer Mitglieder bestimmt, sondern von ihrer grundsätzlichen Funktion in der bürgerlichen Gesellschaft. Die Regierung des modernen Staates ist ihrem Wesen nach ein Instrument der Klassenherrschaft, deren planmäßiges Funktionieren eine der Existenzbedingungen des Klassenstaates darstellt. Mit dem Eintritt eines Sozialisten in die Regierung besteht die Klassenherrschaft weiter, die bürgerliche Regierung wird nicht zu einer sozialistischen, jedoch ein Sozialist verwandelt sich in einen bürgerlichen Minister. Die

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