Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 524

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Einführung in die Nationalökonomie

[1]

I Was ist Nationalökonomie?

Die Nationalökonomie ist eine merkwürdige Wissenschaft. Die Schwierigkeit und der Streit der Meinungen beginnt schon bei dem ersten Schritt, den man auf ihr Gebiet tut, schon bei der allerelementarsten Frage: Was ist der eigentliche Gegenstand dieser Wissenschaft? Der einfache Arbeiter, der nur eine ganz vage Vorstellung davon hat, was die Nationalökonomie lehrt, wird seine Unklarheit der eigenen mangelhaften allgemeinen Bildung zuschreiben. Doch teilt er sein Mißgeschick diesmal in gewissem Sinne mit vielen gelehrten Doktoren und Professoren, die über die Nationalökonomie dickbändige Werke schreiben und Vorlesungen für die studierende Jugend an den Universitäten halten. So unglaubwürdig es

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[1] Unvollendetes Manuskript. (Siehe Vorwort; S. 2*.) – Ursprünglich sollte die „Einführung in die Nationalökonomie” in den Jahren 1909/10 in acht Broschüren und als Buch herausgegeben werden. Zur Anlage schrieb Rosa Luxemburg: „Allgemeiner Titel: Einführung in die Nationalökonomie. Die Untertitel der Broschüren: 1. Was ist Nationalökonomie? 2. Die gesellschaftliche Arbeit. 3. Wirtschaftsgeschichtliches (Urkommunismus, Sklavenwirtschaft, Fronwirtschaft, Zunfthandel). 4. Der Austausch. 5. Lohnarbeit. 6. Herrschaft des Kapitals (Profitrate). 7. Krisen. B. Tendenzen der kapitalistischen Wirtschaft.” (Rosa Luksemburg: Listy do Leona Jogichesa-Tyszki, 3. Bd., Warschau 1971; S. 98.) Wegen der Auseinandersetzung mit Karl Kautsky und den Badener Revisionisten unterbrach sie die Arbeit an der „Einführung” und schrieb anschließend zunächst „Die Akkumulation des Kapitals” (siehe S. 5–411). Erst als „Schutzhäftling” während des ersten Weltkrieges nahm Rosa Luxemburg 1916 im Gefängnis die Arbeit an der „Einführung” wieder auf. Sie bestätigte die Konzeption im wesentlichen, wobei nun allerdings zehn Broschüren vorgesehen waren. Rosa Luxemburg bemühte sich bei sozialdemokratischen Verlegern um die Herausgabe der Arbeit. Diese Versuche schlugen fehl, und das Fragment wurde erstmals 1925 veröffentlicht. Die vorliegende Veröffentlichung erfolgt nach dem erhalten gebliebenen handschriftlichen Manuskript, das dank der Umsicht von Jürgen Kuczynski vor der Vernichtung während der Herrschaft des Faschismus in Deutschland bewahrt blieb. Die Numerierung der Kapitel wurde bei der vorliegenden Ausgabe aus dem Manuskript übernommen. Die Uneinheitlichkeit ergibt sich aus dessen wechselvollem Schicksal und den unterschiedlichen Bearbeitungsperioden.

[2] Rosa Luxemburg hatte den ersten Teil ihrer Arbeit (S. 524–593) durch die Zahlen I bis VI untergliedert. Der besseren Übersicht werden dafür die Zahlen 1 bis 6 gesetzt.