Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 224

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-5/seite/224

aber nicht einmal um den Gegensatz seiner ökonomischen und politischen Leistungen: Auf dem Gebiete der theoretischen Nationalökonomie selbst haben ihm seine Lobhudler ein großes Denkmal auf dem Sandfelde errichtet, wo er mit dem hoffnungslosen Eifer eines Utopisten grub, während sie zugleich die paar bescheidenen Beete mit Unkraut haben überwuchern und in Vergessenheit geraten lassen, in denen er einige fruchtbare Setzlinge hinterlassen hatte.[1]

Im ganzen kann man nicht behaupten, daß das Problem der Akkumulation seit der ersten Kontroverse, in preußisch-pommerscher Behandlung, vorwärtsgekommen wäre. Wenn die ökonomische Harmonielehre inzwischen von der Höhe Ricardos auf Bastiat–Schulze heruntergekommen war, so hat auch die soziale Kritik dementsprechend den Abrutsch von Sismondi auf Rodbertus vollzogen. Und wenn die Kritik Sismondis im Jahre 1819 eine geschichtliche Tat war, so waren die Reformideen Rodbertus’

Nächste Seite »



[1] Übrigens Ist ihm das schlimmste Denkmal von seinen postumen Herausgebern gesetzt worden. Diese gelehrten Herren, Professor Wagner, Dr. Kozak, Moritz Wirth und wie sie alle heißen, die sich in den Vorreden zu seinen Nachlaßbänden wie ein Haufen ungebärdiger Diener im Vorzimmer zanken, ihren persönlichen Tratsch und ihre Eifersüchteleien austragen und einander coram publico beschimpfen, haben dabei nicht einmal die elementarste Sorgfalt und Pietät aufgebracht, um das Entstehungsdatum der einzelnen vorgefundenen Manuskripte Rodbertus’ festzustellen. Sie haben sich z. B. erst von Mehring belehren lassen müssen, daß das älteste aufgefundene Manuskript von Rodbertus nicht aus dem Jahre 1837, wie Professor Wagner souverän beschlossen hatte, sondern frühestens aus dem Jahre 1839 stammen könne, sintemalen darin gleich in den ersten Zeilen von geschichtlichen Ereignissen aus der Chartistenbewegung die Rede ist, die in das Jahr 1839 gehören, was zu wissen für einen Professor der Nationalökonomie sozusagen Pflicht war. Professor Wagner, der in den Vorreden zu Rodbertus mit seiner Wichtigtuerei und seiner schrecklich „besetzten Zeit“ alle Augenblicke lästig wird und der überhaupt nur mit seinen „Fachkollegen“ über die Köpfe des übrigen Menschenpöbels spricht, hat die elegante Lektion Mehrings vor versammelten Fachkollegen als großer Mann schweigend hingenommen. Professor Diehl aber hat ebenso schweigend im „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“ das Datum 1837 einfach auf 1839 korrigiert, ohne auch nur mit einer Silbe den Lesern zu verraten, wann und von wem ihm die Erleuchtung ward.

Die Krone bildet jedoch die wohl „fürs Volk“ bestimmte „neue wohlfeile Ausgabe“ bei Puffkammer und Mühlbrecht aus dem Jahre 1899, die einige der sich zankenden Herren Herausgeber friedlich vereinigt, ihren Zank aber in den Vorreden mit aufgenommen hat, eine Ausgabe, wo z. B. aus dem früheren Wagnerschen Band II nunmehr Band I gemacht worden ist, man aber Wagner trotzdem in der Einleitung zu Band III ruhig weiter von „Band II“ fortwährend reden läßt, wo det „Erste sociale Brief“ in Band III, der zweite und dritte in Band II und der vierte in Band I geraten ist, wo überhaupt die Reihenfolge der „Socialen Briefe“, „Kontroversen“, Teile „Zur Beleuchtung [der Socialen Frage]“ und Bände, chronologische und logische Zusammenhänge, Datum der Herausgaben und Datum der Entstehung der Schriften ein undurchdringlicheres Chaos darstellen als die Schichtungen der Erdrinde nach mehrmaligen vulkanischen Ausbrüchen und wo – im Jahre 1899 – wohl aus Pietät für Professor Wagner das Datum der ältesten Schrift Rodbertus’ auf 1837 beibehalten worden ist, trotzdem Mehrings Belehrung bereits 1894 erfolgt war!! Man vergleiche damit den Marxschen Nachlaß in den Ausgaben von Mehring und Kautsky bei Dietz, und man wird sehen, wie sich in scheinbar so äußerlichen Dingen tiefere Zusammenhänge spiegeln: So wird das wissenschaftliche Erbe der Meister des klassenbewußten Proletariats gepflegt – und so wird von den offiziellen Gelehrten der Bourgeoisie das Erbe eines Mannes vertrödelt, der nach ihrer eigenen interessierten Legende ein erstklassiges Genie war! Suum cuique – war der Wahlspruch Rodbertus’. – [Fußnote im Original]