Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 403

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mit Erzberger in Ministerfracks herumliefen[1], diese Leute wollen heute dem Volk einreden, die Revolution sei schon gemacht, die Hauptziele seien schon erreicht. Sie wollen den weiteren Fortgang der Revolution aufhalten, sie wollen das bürgerliche Eigentum, die kapitalistische Ausbeutung retten) Dies ist die „Ordnung” und die „Ruhe”, die man vor uns behütet.

Hier liegt der Hase im Pfeffer. Und hier auch der Grund, weshalb die Herrschaften eine solche Todesangst und so tödlichen Haß gegen uns nähren. Sie wissen ausgezeichnet, daß wir keine Läden plündern, wohl aber das kapitalistische Privateigentum abschaffen wollen, daß wir nicht den Marstall oder das Abgeordnetenhaus stürmen, wohl aber die Klassenherrschaft der Bourgeoisie zertrümmern wollen, daß wir niemanden morden, wohl aber die Revolution unnachgiebig im Interesse der Arbeitenden weiter vorwärtstreiben wollen.

Sie verzerren mit vollem Bewußtsein und klarer Absicht unsere sozialistischen Ziele in lumpenproletarische Abenteuer, um die Massen irrezuleiten. Gegen Putsche, Morde und ähnlichen Blödsinn schreit man, und den Sozialismus meint man. Indem man die Spartakusrichtung zu meucheln sucht, will man die proletarische Revolution selbst ins Herz treffen!

Aber das Spiel wird vorbeigelingen. Wir lassen uns nicht mundtot machen. Mögen sich unklare Schichten der Arbeiter oder Soldaten momentan noch gegen uns aufstacheln lassen. Mag uns eine momentane Wiederkehr der gegenrevolutionären Sturzwelle wieder in Kasematten sperren, die wir eben erst verlassen haben – der eherne Gang der Revolution läßt sich nicht aufhalten. Wir werden unsere Stimme laut erschallen lassen, die Massen werden uns verstehen, und dann werden sie sich um so ungestümer gegen die Hetzer und Fabrikanten der Pogromgerüchte wenden. Nicht über Marställe, Bäckerläden und furchtsame Philister wird dann der Sturm brechen, sondern euch wird er hinwegfegen, ihr gestrigen Kumpane der bürgerlichen Reaktion und des Prinzen Max, ihr Schutztruppen der kapitalistischen Ausbeutung, ihr lauernden Vorposten der Gegenrevolution, ihr Wölfe im Schafpelz!

Die Rote Fahne (Berlin),

Nr. 3 vom 18. November 1918.

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[1] Am 3. Oktober 1918 war Prinz Max von Baden zum Reichskanzler ernannt worden. Er bildete eine sogenannte parlamentarische Regierung, die die revolutionäre Bewegung in Deutschland aufhalten, die imperialistische Klassenherrschaft retten und gegenüber der Entente verhandlungswürdig erscheinen sollte. Dieser Regierung gehörten u. a. der Führer der Zentrumsfraktion des Reichstags Adolf Gröber, als Vertreter der Fortschrittlichen Volkspartei Friedrich von Payer und als Vertreter der Sozialdemokratie Philipp Scheidemann und Gustav Bauer an.