Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 194

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-4/seite/194

Was ist mit Liebknecht?

[1]

3. In der Internationale liegt der Schwerpunkt

der Klassenorganisation des Proletariats …

4. Die Pflicht zur Ausführung der Beschlüsse der

Internationale geht allen

anderen Organisationspflichten voran.

(Leitsätze)[2]

Arbeiter! Parteigenossen! Die Säbeldiktatur ist drauf und dran, ihren unversöhnlichsten Feind zur Strecke zu bringen. Die militärische „Gerichtsverhandlung” gegen Karl Liebknecht steht bevor.[3]

Diese Gerichtsverhandlung ist eine freche Komödie. Sie findet statt unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die Verteidigung ist aufs äußerste beschränkt. Als „Richter” führen den entscheidenden Vorsitz hohe Militärs, das heißt gerade die Vertreter derselben Säbelherrschaft, gegen die Liebknecht unerschrocken den Kampf führte.

Den Gipfel der Infamie bildet die Anklage. Sie lautet auf versuchten Kriegsverrat im Felde! Obwohl Liebknecht am 1. Mai nicht im Felde war, sondern in Berlin auf dem Potsdamer Platz, soll ihm eingeredet werden, daß er „im Felde” die Maidemonstration mitmachte. Obwohl er als Reichstagsabgeordneter, als Volksvertreter in Berlin war, soll er als Sol-

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[1] Illegales Flugblatt der Spartakusgruppe vom Juni 1916. In: Spartakus im Kriege. Die Illegalen Flugblätter des Spartakusbundes im Kriege, gesammelt und eingeleitet von Ernst Meyer, Berlin 1927, wird Rosa Luxemburg als Verfasserin genannt.

[2] Siehe Rosa Luxemburg: Entwurf zu den Junius-Thesen. In: GW, Bd. 4, S. 46.

[3] Die Verhandlung erster Instanz gegen Karl Liebknecht fand am 28. Juni 1916 vor dem Kommandanturgericht Berlin statt. Das Urteil lautete auf 2 Jahre 6 Monate und 3 Tage Zuchthaus. Das Urteil zweiter Instanz, gefällt vom Oberkriegsgericht Berlin am 23. August 1916, lautete auf 4 Jahre 1 Monat Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte für 6 Jahre. Dieses Urteil wurde in letzter Instanz am 4. November 1916 vom Reichsmilitärgericht bestätigt und damit rechtskräftig.