Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 353

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die Fraktionsmehrheit ihre Siege in den entscheidenden Fragen auf dem Jenaer Parteitag erfochten. Und Kautsky, der über den Sieg der „alten bewährten Taktik“ in Jena triumphiert, hat vergessen, sich über den merkwürdigen Umstand zu besinnen, daß diesmal die Kämpen – die Südekum, David, Noske, Richard Fischer – auftraten, gegen die er, Kautsky, über ein Jahrzehnt jene Taktik verteidigen mußte.

Diese neue Konstellation ist kein Zufall, sie ergibt sich logisch aus den Verschiebungen in den äußeren und inneren Bedingungen unseres Parteilebens, und wir tun gut, das Andauern dieser Konstellation vielleicht für eine Reihe von Jahren in Aussicht zu nehmen, wenn nicht äußere Ereignisse den Gang der Entwicklung plötzlich beschleunigen. So unangenehm die Situation manchem Genossen vorkommen mag, zum Pessimismus und zur Verzagtheit liegt nicht der geringste Grund vor. Auch diese Periode muß, wie jede geschichtlich bedingte Situation, „durchgefressen“ werden. Im Gegenteil, je klarer wir in den Dingen sehen, um so energischer, zielbewußter und fröhlicher kann weitergekämpft werden. Die nächste Aufgabe, die sich aus dem Jenaer Parteitag ergibt, ist das systematische Vorgehen gegen den „Sumpf“, d. h. gegen den geistigen Konservatismus in der Partei. Auch hier ist das einzige wirksame Mittel: die Mobilmachung der breiten Masse der Genossen, die Aufrüttelung der Geister durch die Hineintragung der Diskussion über den Massenstreik wie über die Steuerfragen (über alle taktischen Differenzen) in die Parteiversammlungen, in die Gewerkschaftsversammlungen, in die Presse. Der Gang der Dinge selbst führt mit historischer Notwendigkeit dahin, den taktischen Bestrebungen der Linken mit jedem Tage mehr Recht zu geben, und wenn die Entwicklung selbst zum Niederkämpfen der Elemente der Stagnation in der Partei führt, dann kann die Minderheit des Jenaer Parteitages guten Mutes in die Zukunft blicken. Daß der Jenaer Parteitag die Klarheit über das gegenseitige Kräfteverhältnis in der Partei gebracht und die Linke zum erstenmal in geschlossener Reihe gegen den Block des Sumpfes mit der Rechten geführt hat, ist als ein erfreulicher Beginn der weiteren Entwicklung nur zu begrüßen.

Die Internationale (Berlin),

Jg. 10, 1927, Heft 5, S. 148-153.

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