Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 349

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die doch schon auf dem Leipziger Parteitag[1] durch eine sehr prononcierte Stellungnahme – allerdings im entgegengesetzten Sinne als jetzt – in die Steuerdebatten eingegriffen hatten. Von dieser Seite im Stich gelassen, war die Partei zu ihrer Orientierung lediglich auf die Tagespresse angewiesen, mit all ihren Unzulänglichkeiten bei großen, komplizierten Problemen. In den Parteiversammlungen war die Steuerfrage so gut wie gar nicht diskutiert. Dazu kam, daß der eine der Referenten seine Leitsätze und seine Resolutionen knapp einen Monat vor dem Parteitag, der andere aber die seinigen gar nicht veröffentlicht hatte. So kam der Parteitag in die Lage, über eine neue, höchst wichtige, komplizierte Frage zu entscheiden und die Taktik der Partei für die nächste Zukunft festzulegen, ohne auch nur entfernt auf diese verantwortungsvolle Rolle sachlich vorbereitet zu sein. Und um das Verfahrene der Situation zu vollenden, war alles auf dem Parteitag danach angetan, um in diesem Meinungsstreit nur die eine Seite in ausgiebigstem Maße, die andere fast so gut wie gar nicht zu Worte kommen zu lassen.

Daß eine unter solchen beispiellosen Umständen getroffene Entscheidung alle Merkmale der „Vorläufigkeit“, der „Ramscharbeit“ an sich trägt, ergibt sich von selbst. Durch die Resolution Wurm ist die Steuerfrage für die Partei nicht entschieden, sondern erst angeschnitten. Und es gehört nunmehr eine ausgiebige und systematische Arbeit in der Presse dazu, um all das Schiefe und Krause im einzelnen zu beleuchten und zu entwirren, was von den Vertretern der Mehrheit, namentlich vom Genossen Wurm, auf dem Gebiete unserer Steuertaktik improvisiert worden ist, ohne daß auf dem Parteitag die Antwort gegeben werden konnte. Es gehört ferner jetzt eine systematische Behandlung der Steuerfrage in den Parteiversammlungen dazu, um die Masse der Genossen mit all den komplizierten ökonomischen und politischen Zusammenhängen des Problems vertraut zu machen, um ihnen all die fatalen und unabsehbaren Konsequenzen für unsere Taktik zum Bewußtsein zu bringen, zu denen die im „Ramsch“ angenommene Resolution Wurm führen muß.

Ist in der Massenstreikfrage durch die Annahme der Vorstandsresolution[2] eine Konzession an den konservativen Widerstand der Gewerkschaftsführer gemacht worden, so durch die Annahme der Wurmschen Resolution und die Gutheißung der Taktik der Fraktionsmehrheit eine noch viel bedeutsamere Konzession an den parlamentarischen Opportu-

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[1] Der Parteitag der deutschen Sozialdemokratie in Leipzig fand vom 12. bis 18. September 1909 statt.

[2] Siehe Rosa Luxemburg: Die Massenstreikresolution des Parteivorstands. In: GW, Bd. 3, S. 323 f.