Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 260

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immer, wenn die Partei das Bedürfnis empfindet, die Bewegung einen bedeutenden Schritt vorwärtszutreiben, und wenn den Parteigenossen zum Bewußtsein kommt, daß wir mit den bisherigen Methoden des Klassenkampfes nicht weiterkommen. („Sehr richtig!“) Das ist gegenüber den Kritikern zu sagen, die diese ganze Diskussion als die Mache einiger Querköpfe hinstellen wollen.

Wie und wann hat diese Diskussion begonnen? In der Wilmersdorfer Versammlung?[1] Das ist ein Irrtum. Er ist aber entschuldbar bei denen, die nur den „Vorwärts“ lesen. Der hat es allerdings so hingestellt, als habe Genosse Frank in der Wilmersdorfer Versammlung den Anlaß zur Diskussion des politischen Massenstreiks gegeben. Das ist nicht richtig. Schon lange, ehe in Berlin über den Massenstreik gesprochen wurde, haben sich die Parteigenossen in verschiedenen Orten damit beschäftigt. – Wenn nun also feststeht, daß die Frage des politischen Massenstreiks jetzt zum drittenmal mit elementarer Macht von den Massen auf die Tagesordnung gesetzt worden ist, so müssen wir darin ein Symptom erkennen und es mit Freuden begrüßen, denn wir sehen, daß wir nicht umhin können, das wertvollste Mittel im proletarischen Klassenkampf früher oder später anzuwenden. Deshalb ist es notwendig, die Frage des Massenstreiks nach jeder Richtung zu prüfen. Die Frage ist noch lange nicht geklärt. Sie muß noch viel besprochen werden, damit die Massen mit der Anwendung dieser neuen Kampfesform vertraut werden.

Wenn wir die gegenwärtige Diskussion betrachten, so sehen wir auf der einen Seite sehr warme Befürworter des Massenstreiks in dem Sinne, daß sie die Forderung vertreten, der Parteitag solle den Parteivorstand beauftragen, nach Rücksprache mit der Generalkommission den Massenstreik in die Wege zu leiten. Ja, es wird auch gefordert, man soll mit der Erziehung der Arbeiter für den Massenstreik beginnen. Es wird auch geraten, den Massenstreik nach belgischem Muster vorzubereiten.[2] Das sind die Forderungen der einen Richtung. Die andere Richtung äußerte sofort die stärksten Bedenken gegen jedes „Spiel mit der Idee des Massenstreiks“. Man sagte, das wäre höchst gefährlich für unser Parteileben, denn wir seien in Deutschland noch lange nicht reif für die Betätigung des Massenstreiks. Die Partei würde eine Niederlage erleiden, von der sie sich in Jahrzehnten nicht wieder erholen könne.

Die Vertreter der ersten Richtung, die für die möglichst baldige Anwendung des Massenstreiks eintreten, gehören verschiedenen politischen

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[1] Siehe Rosa Luxemburg: Diskussionsrede zum Massenstreik am 10. Juni 1913 in einer Parteiversammlung in Wilmersdorf. In: GW, Bd. 3, S. 240 f.

[2] Am 14. April 1913 begann in Belgien ein politischer Massenstreik für das allgemeine Wahlrecht, der seit Juni 1912 durch ein spezielles Komitee organisatorisch, finanziell und ideologisch im ganzen Lande sorgfältig vorbereitet worden war. An dem Streik beteiligten sich etwa 450 000 Arbeiter. Am 24. April 1913 beschloß der Parteitag der belgischen Arbeiterpartei den Abbruch des Streiks, nachdem sich das belgische Parlament dafür ausgesprochen hatte, die Reform des Wahlrechts in einer Kommission erörtern zu lassen.