Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 608

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/608

burgs. Im Jahre 1888 erringen sie durch einen Streik eine Lohnaufbesserung auf 65 M für die Heizer, 57 M für die Trimmer. Im März 1889 setzen sie eine abermalige Lohnerhöhung um 10 M, im August desselben Jahres eine dritte, wieder um 10 M, durch und erreichen auf diese Weise einen Lohn von 85 M für die Heizer und 75 M für die Trimmer. Nun folgt aber auf dem Fuß die Rückwärtsbewegung. Im Jahre 1890 wird eine Reduktion von 10 M durch einen Streik abgewehrt. Im Jahre 1891 wird wieder ein Lohnabzug versucht und diesmal trotz erneuten Streiks durchgesetzt. Seitdem fallen die Löhne rapid und stehen seit Ende 1892 bis 1898 tiefer als zu Beginn des fünfjährigen Kampfes![1]

Der Kampf mit dem deutschen Unternehmertum ist also ein ewiges Hinaufrollen des Sisyphussteines, der immer wieder mit beharrlicher Brutalität hinabgeschleudert wird, ein ewiger Guerillakrieg, in dem die kämpfenden Arbeiter nicht für einen Augenblick Helm und Panzer ablegen oder das Auge zur Rast schließen dürfen, wo es stets Fuß im Bügel und Waffe in der Hand zu halten gilt, nicht um neue Eroberungen zu machen, sondern bloß um die soeben gemachten zu behaupten.

Und es sind endlich wieder die Unternehmer, die den gewerkschaftlichen Kampf je weiter, je mehr zur unaufhörlichen Machtprobe gestalten. Während sich die Arbeiterschaft in den 80er Jahren in den Fachorganisationen zusammenschließt, vereinigen sich die Unternehmer, um den Krieg mit schärferen Mitteln führen zu können, in Unternehmerkoalitionen, die dann sofort mit Aussperrungen, schwarzen Listen, Organisationen für Streikbrecher, gefügigen Arbeitsnachweisen vorgehen. Schon der gewaltige und scharfe Charakter der Kämpfe des Jahres 1890 ist hauptsächlich ein Ergebnis der von den Unternehmerverbänden geführten Gewaltpolitik. Die Arbeiter werden dadurch immer mehr zu Kraftproben getrieben. Denn wollen sie sich ihrer Haut erwehren, dann gilt es nunmehr, mit verdoppelter Energie auf Unternehmerkoalition mit Arbeiterkoalition, auf Aussperrung mit Streik, auf schwarze Listen mit Boykott, auf Konventionalstrafen gegen nachgiebige Unternehmer mit einer Abwehraktion gegen Streikbrecher zu antworten.

Nächste Seite »



[1] l. c., S. 387–399. Dasselbe Bild zeigen die Gewerkschaftskampfe aus der allerneuesten Zeit. Den 194 Angriffsstreiks, die 1892 bis 1895 in ganz Deutschland stattfanden, stehen in derselben Periode 317 Abwehrstreiks entgegen! Siehe Bericht für den Intern. Soz. Kongreß in London 1896 über die Gewerkschaftsbewegung in Deutschland, erstattet von C. Legien, S. 9. [Fußnote im Original]