Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 545

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Herrn Oppenheimer als ein „kolossales Zahlenmaterial“ sehr imponiert haben. Aber wie steht es um dieses Zahlenmaterial?

1. Das sind die „Ergebnisse der Veranlagung zur preußischen Ergänzungssteuer“ von 1895 – Zahlen für ein Jahr, die also keinen Vergleich gestatten. Aber auch diese Zahlen werden von anderen Leuten ganz verschieden von Bernstein aufgefaßt. So schreibt darüber der gut bürgerlich denkende Professor Herkner:

„Man kann eine Vermögensteilung unmöglich gutheißen, bei der die zwei obersten, die Millionäre umfassenden Stufen, die 5256 Angehörige zählen, zusammen noch 1 621 Millionen Mark mehr besitzen als die zwei untersten Stufen, obwohl diese 767 204 Zensiten darstellen. Und doch bringen diese Zahlen nur den Gegensatz der Besitzverteilung innerhalb der besitzenden Klassen zum Ausdruck. Diese Einkommensverteilung ruft nicht nur vom sozialen, sondern auch vom Standpunkt des wirtschaftlichen Fortschritts schwere Bedenken hervor.“

2. Die Einkommenszahlen für Frankreich. Diese beziehen sich wieder bloß auf ein Jahr, sagen also weder etwas von Zunahme noch von Abnahme der Besitzenden; beruhen außerdem nicht auf statistischen Erhebungen (Frankreich hat keine Einkommensteuer 1), sondern auf bloßen Schätzungen, haben also fast gar keinen positiven Wert.

3. Für Sachsen gibt Bernstein einige Angaben aus der Einkommensstatistik für 1879 und 1892, die er aber beliebig aus dem Ganzen herausgegriffen hat. Zieht man das ganze statistische Ergebnis für die Jahre 1879 und 1892 ins Auge, so ergibt sich ein Schluß nicht für, sondern wiederum gegen Bernstein. „Man kann sagen“, schreibt derselbe bürgerliche Professor Herkner über die sächsische Einkommensbewegung, „die gegenwärtige Einkommensverteilung verstärkt relativ am meisten die Schicht des mittleren Arbeiterstandes und die Gruppe der Millionäre“ – ganz nach Marx!

4. Bernstein gibt einen Vergleich der Einkommensverhältnisse für Preußen aus den Jahren 1854 und 1894. Hier fühlt er sich offenbar ganz unwiderleglich. Leider ist ein solcher Vergleich keinen Schuß Pulver wert, denn erstens ist Preußen 1894 territorial und politisch ein ganz anderes Land, als es 1854 war, zweitens aber ist die letzte Einkommensteuerstatistik auf Grund eines ganz anderen Gesetzes vollzogen worden als die vom Jahre 1854, wie überhaupt eine gründlichere Erkenntnis der preußischen Einkommensverteilung erst seit 1891 ermöglicht worden ist.

Die zweite Zusammenstellung Bernsteins für Preußen, die aus den Jahren 1876 und 1890, ist aber nicht nur aus den obigen Gründen hinfällig, sondern sie ist obendrein von Bernstein wiederum unvollständig

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