Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 408

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Mit einem Worte, die Bernsteinsche Anpassungstheorie ist nichts als eine theoretische Verallgemeinerung der Auffassungsweise des einzelnen Kapitalisten. Was ist aber diese Auffassungsweise im theoretischen Ausdruck anders als das wesentliche und charakteristische der bürgerlichen Vulgärökonomie? Alle ökonomischen Irrtümer dieser Schule beruhen eben auf dem Mißverständnis, daß sie Erscheinungen der Konkurrenz, gesehen durch die Augen des Einzelkapitals, für Erscheinungen der kapitalistischen Wirtschaft im ganzen nehmen. Und wie Bernstein den Kredit, so faßt die Vulgärökonomie auch noch z. B. das Geld als ein geistreiches „Anpassungsmittel“ zu den Bedürfnissen des Austausches auf, sie sucht auch in den kapitalistischen Erscheinungen selbst die Gegengifte gegen die kapitalistischen Übel, sie glaubt in Übereinstimmung mit Bernstein an die Möglichkeit, die kapitalistische Wirtschaft zu regulieren, sie läuft endlich auch immer wie die Bernsteinsche Theorie in letzter Linie auf eine Abstumpfung der kapitalistischen Widersprüche und Verkleisterung der kapitalistischen Wunden, d. h. mit anderen Worten auf ein reaktionäres statt dem revolutionären Verfahren und damit auf eine Utopie hinaus.

Die Bernsteinsche[1] Theorie im ganzen genommen läßt sich also folgendermaßen charakterisieren: Es ist dies eine Theorie der sozialistischen Versumpfung, vulgärökonomisch begründet durch eine Theorie der kapitalistischen Versumpfung.

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[1] 2. Auflage: revisionistische.