Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 394

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ist die Verteilung noch bis zu einem gewissen Grade an persönliche Teilnahme an dem Produktionsprozeß geknüpft. In dem Maße, wie die persönliche Leitung des Fabrikanten überflüssig wird, und vollends in den Aktiengesellschaften sondert sich das Eigentum an Kapital als Anspruchstitel bei der Verteilung gänzlich von persönlichen Beziehungen in der Produktion[1] und erscheint in seiner reinsten, geschlossenen Form. In dem Aktienkapital und dem industriellen Kreditkapital gelangt das kapitalistische Eigentumsrecht erst zu seiner vollen Ausbildung.

Das geschichtliche Schema von Konrad Schmidt[2]: „vom Eigentümer zum bloßen Verwalter“, erscheint somit als die auf den Kopf gestellte tatsächliche Entwicklung, die umgekehrt vom Eigentümer und Verwalter zum bloßen Eigentümer führt. Es geht hier Konrad Schmidt wie Goethe:

Was er besitzt, das sieht er wie im weiten,

Und was verschwand, wird ihm zu Wirklichkeiten.[3]

Und wie sein historisches Schema ökonomisch von der modernen Aktiengesellschaft auf die Manufakturfabrik oder gar auf die Handwerkerwerkstatt zurückgeht, so will es rechtlich die kapitalistische Welt in die feudalnaturalwirtschaftlichen Eierschalen zurückstecken.

Von diesem Standpunkte erscheint auch die „gesellschaftliche Kontrolle“ in einem anderen Lichte, als sie Konrad Schmidt sieht. Das, was heute als „gesellschaftliche Kontrolle“ funktioniert – der Arbeiterschutz, die Aufsicht über Aktiengesellschaften etc. –, hat tatsächlich mit einem Anteil am Eigentumsrecht, mit „Obereigentum“ nicht das geringste zu tun. Sie betätigt sich nicht als Beschränkung des kapitalistischen Eigentums, sondern umgekehrt als dessen Schutz. Oder, ökonomisch gesprochen, sie bildet nicht einen Eingriff in die kapitalistische Ausbeutung, sondern eine Normierung, Ordnung dieser Ausbeutung. Und wenn Bernstein die Frage stellt, ob in einem Fabrikgesetz viel oder wenig Sozialismus steckt, so können wir ihm versichern, daß in dem allerbesten Fabrikgesetz genausoviel Sozialismus steckt wie in den Magistratsbestimmungen über die Straßenreinigung und das Anzünden der Gaslaternen, was ja auch „gesellschaftliche Kontrolle“ ist.

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[1] 2. Auflage: zur Produktion.

[2] 2. Auflage: Schema der Entwicklung des Kapitalisten, wie es Konrad Schmidt zeichnet:

[3] Siehe Goethes Werke. Hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen, 1. Abt., 14. Bd., Weimar 1887. S. 6.